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Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition)

Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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sah ganz und gar chinesisch aus, nur war er
ein sehr großer Mann geworden. Ein hervorragender Akrobat. Und
ein sehr aufbrausender Mann, dessen Blick im Augenblick aber gesenkt
war, als sei er sich aller Unhöflichkeit bewusst, die er noch
vor Kurzem gezeigt hatte. So unauffällig wie möglich
schlich er an Viktoria vorbei und fand neben Dewei auf dem Kang
Platz.
         »Ich
kann Sie zu der Gesandtschaft begleiten, wenn Sie es wünschen«,
meinte er zu dem bereitstehenden Koffer.
         Viktoria
sah ihn staunend an. Ihr Plan, so rasch wie möglich allein nach
Shanghai zurückzukehren, schien einem früheren Leben
anzugehören. Dewei begann sehr schnell und aufgeregt auf
Chinesisch zu reden. Viktoria schnappte nur einzelne Wörter auf,
unter anderem Bàba für Vater. Und Nǎinai, die Oma.
Es musste um Margaret Huntingdon gehen.
    »Sie
kennen also Familie meines Vaters«, meinte Jinzi nun mit einem
flüchtigen Blick in ihre Richtung. »Ich glaube, dort alle
froh, Sie wiederzusehen. Meine Mutter und ich nur stören.«
          Er
richtete sich auf und sah seine Mutter eindringlich an. Yazi drehte
immer noch an dem Ring.
         »Deine
Nǎinai war sehr krank, als ich damals dort war«, mahnte
sie sanft. »Wir sollten uns freuen, dass sie noch lebt.«
         Jinzi
sog hörbar laut Luft ein.
         »Ich
wünsche ihr, dass werden hundert Jahre alt«, zischte er.
»Aber für uns nicht wichtig.«
         Dewei
rutschte verlegen auf dem Kang herum. Yazi stand auf, füllte
Tassen mit Teeblättern und holte einen Kessel von der
Feuerstelle.
         »Meinen
Sie, dieser Schlaganfall hatte etwas mit … mit mir und Andrew
zu tun?«, murmelte sie in Viktorias Richtung.
         »Nein!«,
rief Viktoria entschieden und fixierte Jinzi so eindringlich mit
ihrem Blick, dass er sich ihr widerwillig zuwandte.
         »Margaret
Huntingdon wäre über eine chinesische Schwiegertochter
überrascht, aber nicht derart entsetzt gewesen«, sagte sie
laut und deutlich. »Etwas anderes ist vorgefallen. Es muss mit
Andrews Verschwinden zu tun haben, denn er kehrte damals zu seiner
Familie zurück. Er gab seiner Mutter den Ring und die Hälfte
des Gedichtes. Ich habe all das bei ihr gefunden. Doch niemand will
ihn gesehen haben und deshalb …«
         »Sie
haben auch die andere Hälfte des Liebesgedichts?«,
unterbrach Yazi sogleich. Viktoria öffnete den gepackten Koffer.
Bei der Suche nach den Papieren aus Margarets Schmuckschatulle fielen
fast all ihre Sachen heraus, sie kramte und wühlte, bis sie in
einer Seitentasche fündig wurde. Zum Glück hatten die
Bettler das nicht gestohlen. Yazi riss ihr mit zitternden Händen
sämtliche Blätter aus der Hand und verzog sich mit ihnen in
eine Ecke. Der Tee war vergessen. Viktoria überkam die
plötzliche Eingebung, dass sie selbst die Tassen füllen
könnte. Dewei nahm seine dankend entgegen, auch Jinzi murmelte
ein Xièxie, ohne ihr in die Augen zu blicken. Yazi reagierte
nicht einmal auf das Angebot, denn ihre Welt bestand nur noch aus dem
zusammengefügten Gedicht, das sie gebannt anstarrte. Ihr Rücken
bebte.
         »Also
ich glaube, da ist etwas vorgefallen, das die Huntingdons
verschweigen«, erklärte Viktoria nach dem ersten Nippen an
ihrer Tasse. »Und ich finde, wir sollten versuchen, es
herauszufinden.«
         Ihr
Herz pochte laut und schnell. Es tat so gut, wieder einen klaren Plan
gefasst zu haben, ein Ziel vor Augen zu sehen.
         Yazi
drehte sich langsam um. Ihr Blick war verwirrt, als sei sie ein Kind,
das in eine unverständliche Welt blickte.
         »Sie
meinen, Sie könnten herausfinden, was mit Andrew geschah? Seine
Familie würde mit Ihnen reden?«
         Bevor
Viktoria antworten konnte, donnerte chinesisches Schreien durch den
Raum. Jinzi war wieder einmal aufgesprungen und seine Worte fielen
wie schnelle, heftige Hämmerschläge. Viktoria war nicht
imstande, irgendetwas zu verstehen, und warf Dewei einen hilflosen
Blick zu.
         »Er
weiß nicht, was er seinem Vater sagen soll, falls er ihn eines
Tages trifft«, flüsterte der Junge ihr zu, als es endlich
wieder still geworden war. »Ob er sich dafür bedanken
soll, dass seine Mutter und er die Rinde von Bäumen aßen.«
         Als
Viktoria ihn verständnislos ansah, setzte er zu einer genaueren
Erklärung an: »Wenn Leute hungern, dann schneiden sie
manchmal die Rinde von Bäumen und kochen sie in heißem
Wasser, um ihren Magen zu füllen.«
        

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