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Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition)

Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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Haarschnitt durchaus
aus, um einen Menschen in Schwierigkeiten zu bringen. Und ein in
China aufgewachsener Mensch sollte das wissen. Ihr Diener war doch
selbst verantwortlich für seine Frisur.«
         Max
von Brandt schenkte ihr ein rasches, nachsichtiges Lächeln,
bevor er sich wieder über seinen Papierberg beugte. Viktoria war
wiederum kein Stuhl angeboten worden und sie empfand zu viel Unruhe,
um sich dennoch zu setzen. Der Weg am Empfangsherrn vorbei war
diesmal deutlich schwerer gewesen. Sie hatte mehrfach erscheinen und
drängen müssen, um zum Gesandten vorgelassen zu werden, der
bereits seine Abreise nach Peking plante. Nun stand sie hier als
ungebetener Gast.
         »Welche
Möglichkeiten gibt es, einen Menschen aus einem chinesischen
Gefängnis zu holen?«, fragte sie gerade heraus, denn sie
wusste, dass ihr wenig Zeit blieb. Max von Brandt seufzte ungeduldig.
         »Für
uns Europäer keine«, entgegnete er. »Einmischung ist
unerwünscht. Nur die von den Missionaren bekehrten Chinesen
können sie beanspruchen, und glauben Sie mir, Fräulein
Virchow, ich hatte genug Ärger wegen solcher Fälle. Die
meisten chinesischen Christen sind nur aus diesem Grund konvertiert.«
         Er
senkte den Blick. Viktoria wusste, dass er auf ihre Abschiedsworte
wartete.
         »Aber
es muss etwas geben, das ich tun könnte. Ich meine, wenn ich
meinen restlichen Schmuck verkaufe …«
         Ein
tieferer Seufzer folgte, doch Max von Brandt hob endlich den Blick
von seinen Papieren. Er sah müde aus.
         »Bestechung
von Richtern ist in diesem Land durchaus üblich, das haben Sie
gut erkannt. In einem chinesischen Gefängnis verschwindet man
auf unbestimmte Zeit. Bis es zu einer Verhandlung kommt, hat so
mancher Gefangene bereits das Zeitliche gesegnet, obwohl er sich vor
seiner Verhaftung noch bester Gesundheit erfreute. Krankheiten
grassieren, die Wärter sind so allmächtig wie Götter
und sollen besonderes Vergnügen am Quälen der Gefangenen
finden. Zustände wie im Mittelalter. Manche Leute vergleichen
China auch mit dem alten Rom.«
         Viktoria
musste sich am Schreibtisch abstützen, denn ihr war wieder
einmal schwindelig geworden.
         »Es
interessiert mich im Moment nicht, mit welchen Epochen der
europäischen Geschichte China am besten verglichen werden kann«,
unterbrach sie Max von Brandt. »Ich brauche eine Antwort auf
meine Frage.« Dann erschrak sie über die Schärfe in
ihrer Stimme. Warum konnte sie sich in entscheidenden Augenblicken
niemals beherrschen, diplomatisch und taktisch klug vorgehen? Aber
der Gesandte schien nicht verärgert, er schenkte ihr nur einen
sehr ernsten Blick, als habe ihr Tonfall ihm klargemacht, wie wichtig
diese Sache ihr war.
         »Nun
gut. Bestechung ist wie gesagt üblich. Dadurch kann die
Verhandlung beschleunigt und ihr Ausgang günstig beeinflusst
werden. Aber, liebes Fräulein Virchow, selbst wenn Sie all Ihren
Schmuck verkaufen, so wissen Sie nicht, wie bei der Bestechung
vorzugehen ist. Sie bräuchten einen einflussreichen chinesischen
Verbündeten, der Kontakte zu den richtigen Leuten besitzt.
Versuchen Sie es nicht selbst, man wird Sie nicht einmal vorlassen,
schlimmstenfalls gar betrügen. Sie scheinen mir offen gesagt
nicht im Wohlstand zu schwelgen, daher sollten Sie ihre restlichen
Wertgegenstände nicht sinnlos verschleudern.«
         Viktoria
holte Luft, um zu widersprechen, aber der Gesandte erhob sich
unerwartet, umrundete den Schreibtisch, legte ihr eine väterliche
Hand auf die Schulter und blickte in all seiner stattlichen Größe
auf sie hinab.
         »Fahren
Sie wieder nach Hause«, sagte er sanft. »Das Abenteuer
ist vorbei. Sie müssen an Ihre Zukunft denken. Das Konsulat wird
für Ihre Schiffsfahrkarte aufkommen, und ich lege ein gutes Wort
für Sie ein, damit Sie noch etwas finanzielle Unterstützung
für einen Neubeginn in Deutschland erhalten. Verlassen Sie
diesen Kontinent. Sie sind … wie soll ich sagen … zu
emotional für Asien.«
         Viktoria
tat einen Schritt Richtung Tür, um seine Berührung
unauffällig abzuschütteln. Sie wusste, dass die Worte
freundlich gemeint waren, doch schien der Gesandte nicht zu
begreifen, wie sehr China bereits Teil ihrer selbst geworden war.
         »Ich
danke Ihnen für Ihre Hilfe«, erklärte sie. »Aber
ich habe bereits ein Auskommen in Shanghai und brauche die
Unterstützung des Konsulats nicht mehr. Ich gedenke auf
absehbare Zeit hier zu bleiben.

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