Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition)
Vorsätze
unter dem ersten Kuss dahin. Wieder erwachte jene Sehnsucht, die sie
zum ersten Mal in der Höhle empfunden hatte, verwandelte sie in
ein Wesen, das nur noch von körperlichen Bedürfnissen
bestimmt wurde und sich gierig den Berührungen von Jinzis Händen
entgegenstreckte. Erst als er den Stoff ihres Rockes hochzuschieben
begann, gewann Viktorias Verstand die Oberhand. Sanft legte sie ihre
Finger auf die seinen.
»Lass
das jetzt besser.«
Sie
stellte sich innerlich auf einen Wutausbruch ein, doch blickten seine
Augen nur verstört in die ihren.
»Was
ist? Das erste Mal hat es dir gefallen, aber danach hast du mich
behandelt, als hätte ich deine Ehre verletzt. Ich dachte, es
wäre, weil du mich nicht wirklich leiden kannst. Dazu hatte ich
dir auch einigen Grund gegeben. Aber dann bist du plötzlich da,
um mir zu helfen. Ich verstehe das nicht.«
Viktoria
drückte ihren Kopf in die weiche Polsterrolle, die ihnen als
Kissen diente. Im Grunde war sie erleichtert, dass er diese Dinge
endlich ansprach, denn sie selbst hätte es nicht gewagt.
»Ich
weiß nicht, woran ich bei dir bin. Ich habe einmal einem Mann
vertraut und es bereut«, erklärte sie schließlich
und begann zu erzählen, gestattete ihm erstmals Einblick in ihr
altes Leben in einer Welt, die er nicht kannte. Er lauschte mit
erstaunlicher Geduld, hatte das Kinn auf seine Handfläche
gestützt und sah sie aufmerksam an.
»Das
klingt alles nicht einmal fremd für mich«, sagte er,
nachdem sie ihre Geschichte beendet hatte. »Männer wie
diesen, in den du so unsterblich verliebt warst, gibt es auch bei uns
genug. Dein Geld hättest du auf jeden Fall verloren. Wenn dein
Vater es nicht geschafft hätte, es zu verschleudern, dann er. Du
hättest zuhause gesessen, während er sich in Bordellen
herumgetrieben hätte, und hättest dir den Kopf zerbrochen,
was einmal aus euren Kindern werden soll.«
Obwohl
diese Worte durchaus hart klangen, war Viktoria auf einmal sehr
leicht zumute und sie schmiegte sich ohne jede Bedenken an seinen
Körper. Anton war schon lange unwichtig geworden.
»Dieser
Mann kannte keine Loyalität«, fuhr Jinzi fort. »Du
hast ihn nicht verloren, denn er war niemals wirklich an deiner
Seite.«
Viktorias
Hand fuhr über seinen Schädel, auf dem die ersten Stoppeln
zu wachsen begannen. Sein Gesicht war wieder voller geworden, stellte
sie erleichtert fest.
»Du
weißt nicht, wie es ist, als verwöhntes Kind aufzuwachsen.
Anton und ich, wir glichen einander. Wir dachten beide vor allem an
uns selbst«, versuchte sie, ihm ihre Vergangenheit noch
näherzubringen. Jinzi ergriff ihre Hand und hielt sie fest.
»Verwöhnt
bist du, das ist mir aufgefallen. Du rümpfst über jeden
Schmutz die Nase und hasst körperliche Arbeit. Aber loyal bist
du immer gewesen. Gegenüber meiner Schwester, obwohl du deshalb
eine gut bezahlte Arbeit verloren hast. Du hast meiner Mutter bis zum
Ende beigestanden. Ich bin froh, dass du bei ihr warst, bevor sie
starb.«
Viktoria
starrte ihn fassungslos an.
»Es
war doch alles meine Schuld, diese Reise. Sonst wäret ihr beide
in Beijing geblieben und …«
»Sie
wollte immer herausfinden, was mit meinem Vater geschehen ist«,
unterbrach Jinzi. »Du hast ihr den Glauben geschenkt, dass er
sie nicht einfach verlassen wollte. Es war gut so.«
Sein
Gesicht kam dem ihren wieder näher. Viktoria fühlte ein
glückliches Lachen aus ihrer Kehle perlen.
»Es
ist ungerecht von dir, mich jetzt anzusehen. Wie soll ich zu so
schönen Augen nein sagen.«
Wieder
legte eine leichte Röte sich auf sein Gesicht. Viktoria staunte.
Anton hatte Komplimente angenommen wie ein König die Huldigung
seiner Untertanen. Es war Jinzis offensichtliche Verlegenheit, die
ihren letzten Widerstand zum Erliegen brachte.
»Ich
darf nicht schwanger werden«, flüsterte sie, als ihre
Hände sich bereits wieder um seinen Nacken schlangen, denn den
Rücken durfte sie nicht berühren. Jinzi öffnete die
Knöpfe des Kleides nun ohne weitere Schwierigkeiten.
»Das
weiß ich. Ich wusste es schon damals in der Höhle. Mach
dir deshalb keine Sorgen.«
******
In
der frühen Morgendämmerung wurde Viktoria von einem zarten
Klopfen an der Tür geweckt. Sie rieb sich die Augen. Jinzi lag
tief schlafend neben ihr. Sie strich über seine Rippen, die
immer noch sehr deutlich aus
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