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Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition)

Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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geschenkt.«
         Viktoria
erinnerte sich, dass Andrew Yazi auf ähnliche Weise bezaubert
hatte. Es gab nicht viele Männer, die verständnisvoll
zuhören konnten.
         »Aber
haben sie … ich meine, sie war immerhin die Frau seines
Bruders?«, bohrte sie nach. Margarets Augen schlossen sich.
Kurz fürchtete Viktoria, der Augenblick geistiger Klarheit
könnte nun wieder von einer Welle innerer Erregung zerstört
werden, aber die alte Dame redete völlig ruhig weiter.
         »Emilys
Gesicht begann jedes Mal zu strahlen, sobald Andrew den Raum betrat.
Auf einmal war sie willens, Ausflüge in die Stadt zu machen,
vorausgesetzt, dass ihr Schwager sie begleitete. Sie sah glücklich
aus in jener Zeit, verwandelte sich plötzlich in ein wahrhaft
hübsches Mädchen. Die Diener tuschelten natürlich.
Robert flüchtete sich in seine Arbeit, ohne von seiner Frau
vermisst zu werden. Mir wurde klar, dass es so nicht weiterging, und
ich beschloss, mit meinem Lieblingssohn zu reden. Es war schwer, ich
hatte ihn noch niemals zurechtgewiesen. Nun stellte ich ihm eben jene
Frage, die Sie selbst nicht aussprechen können, Miss Virchow. Er
antwortete nicht. Er lachte nur. Mit einem Mal sah ich meinen
charmanten, klugen Andrew in einem völlig neuen Licht.«
         Margaret
drückte ihren Körper in das Kissen. Ihr bewegliches Bein
zuckte wieder, und sie wischte Speichel von ihrem Kinn. Ratlos sah
Viktoria sich nach einem Taschentuch um, entdeckte lediglich ein noch
halb volles Wasserglas auf dem Nachttisch, das von Margaret dankbar
angenommen wurde.
         »Andrew
sagte, dass Robert eben nicht mit Menschen umzugehen verstand, dass
er nichts im Kopf hätte außer Zahlen und Geld. Emily hätte
etwas Ablenkung verdient, wie so viele unglücklich verheiratete
Frauen. In seinen Augen war das kein Grund zur Aufregung. Hätte
er Emily wenigstens wirklich geliebt, dann hätte ich ihm
vergeben können. Aber sie war nur eine von seinen endlosen
Affären. Dass er seinen Bruder im eigenen Heim demütigte
und einem todunglücklichen Mädchen am Ende das Herz brechen
konnte, das kümmerte ihn nicht. Ich wurde schrecklich wütend
damals, nannte ihn egoistisch und verantwortungslos. Ich dachte, ich
hätte ihn selbst verdorben mit meiner bedingungslosen
Mutterliebe. Und daher gab ich ihm etwas Geld und schickte ihn fort.
Er ging tatsächlich, ohne zu sagen wohin. Robert war
erleichtert, doch Emily litt wie ein verwundetes Tier und mir selbst
ging es nicht anders.«
         Viktoria
holte tief Luft. Sie merkte, dass ihre Hände vor Aufregung zu
zittern begonnen hatten, und musterte besorgt Margarets Gesicht. War
es wirklich richtig, eine schwer kranke Frau derartige Erinnerungen
neu durchleben zu lassen? Doch Margaret atmete nun sehr ruhig.
         »Acht
Jahre später, an einem Vormittag, da war er plötzlich
wieder da«, redete sie weiter. »Äußerlich
hatte er sich nicht einmal verändert, doch er schien endlich
erwachsen geworden zu sein. Er erzählte mir von der Frau, die er
liebte, und von seinem Kind. Auf einmal war er bereit, Verantwortung
für andere Menschen zu übernehmen. Er zeigte mir seinen
Ehering und zog noch ein paar Papiere aus der Tasche. Das blieb alles
in meinem Zimmer liegen, während er mit Robert sprach. Andrew
wollte auf einmal nur noch Versöhnung und Frieden in unserer
Familie. Ich war so glücklich. Von Robert und Emily konnte ich
keine Enkelkinder erwarten, doch Andrew würde mir vielleicht
noch weitere schenken. Ein paar Stunden lang konnte ich hoffen,
wieder eine richtige Familie haben zu können.«
         Margarets
Gesicht verzog sich gequält.
         »Haben
Sie Schmerzen, Mrs. Huntingdon?«, fragte Viktoria, aber sie
erhielt keine Antwort. Die alte Dame drehte ihr den Rücken zu,
aber ihre Stimme floss weiter dahin.

    ******

         An
dem letzten Tag, da Margaret den Boden unter ihren Füßen
spüren konnte, da sie in der Lage war, jedes Glied ihres Körpers
dem Willen ihres Verstandes zu unterwerfen und sich nach Belieben
durch Räume und Straßen zu bewegen, war ihr der größte
Wunsch ihres Lebens erfüllt worden. Der schwere Kopfschmerz, der
sie seit dem Morgen plagte, ließ dadurch etwas nach. Sie
betrachtete versonnen Andrews chinesischen Ehering, den er abgenommen
hatte, um ihn stolz herzuzeigen, wickelte ihn dann in ein Stück
Papier, das ihr Sohn ebenfalls zurückgelassen hatte, und steckte
sämtliche Gegenstände in eine Schublade. Sie konnte nicht
genau sagen, warum sie

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