Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition)

Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
Vom Netzwerk:
niemals.«
         Viktoria
griff tröstend nach Margarets Hand, doch wurde sie abgewiesen.
         »Gehen
Sie jetzt, Miss Virchow«, sagte die alte Dame völlig
gefasst. »Und bringen Sie mir bald meinen Enkel. Ihn zu sehen
ist mein allerletzter Wunsch in dieser Welt.«

9. Kapitel

    Viktoria
gelangte völlig ungehindert nach draußen, wo es
stockdunkel geworden war. Die Laternen glommen am Bund und auch noch
am Anfang der Nanking Road, die hauptsächlich von Europäern
bewohnt wurde. Sie sah sich nach Dewei um und entdeckte ihn am Stand
eines Straßenhändlers, bei dem er gerade einen Teller
Nudeln verzehrte. Dass Chinesen auch ständig ans Essen denken
mussten, überlegte sie kopfschüttelnd, denn ihr eigener
Magen war wie zugeschnürt. Als er Viktoria erblickte, ließ
er seine Nudeln aber sogleich sinken, um ihr in die Arme zu stürzen.
         »Ich
dachte, die tun dir etwas an!«, rief er aufgebracht, während
Viktoria beruhigend sein Haar streichelte. Dann spürte sie einen
Schatten in ihrem Rücken. Es überraschte sie nicht
wirklich, Jinzi zu sehen, und sie fiel ihm vor allen Leuten um den
Hals, ohne auf das neugierige Starren in ihrem Rücken zu achten.
Jinzi blieb merklich steif. Derart herzliche Berührungen in der
Öffentlichkeit war auch er nicht gewöhnt, und er schob
Viktoria daher verlegen von sich.
         »Was
hast du herausgefunden?«
         »Viel,
sehr viel.« Trotzig hakte sie sich bei ihm ein, und sie
spazierten gemeinsam Richtung Chinesenstadt. Dewei folgte. »Dein
Vater ist tatsächlich tot. Aber er liebte euch alle, deine
Mutter, dich und auch deine Schwester.«
         Plötzlich
wurden ihre Augen feucht. Sie schmiegte sich enger an ihn und stellte
erleichtert fest, dass er nicht zurückwich.
         »Außerdem
habe ich die Heiratsurkunde. Du wirst wahrscheinlich einen Anwalt
brauchen. Ich werde mich umhören. Und morgen stelle ich dich
deiner Nǎinai vor.«
         Jinzi
widersprach nicht, doch drückte seine Miene auch keinerlei
Zustimmung aus. In seine eigenen Gedanken versunken führte er
Viktoria zu Shen Akeus Haus, wo Dewei sich wortlos zu den Dienern
gesellte, um ihnen ein Gespräch unter vier Augen zu ermöglichen.

    ******

         »Sie
haben ihn einfach in den Fluss geworfen! Er erhielt nicht einmal ein
Grab!«
         Jinzi
schritt wie ein eingesperrtes Tier im Raum auf und ab, trat einen
Schemel zur Seite. Seine Hände waren zu Fäusten geballt.
         »Sie
hatten Angst vor einem Skandal«, warf Viktoria beruhigend ein,
obwohl sie Robert Huntingdon nicht unbedingt ins Herz geschlossen
hatte. »Dabei ging es vor allem um das Verhältnis deines
Vaters zu seiner Schwägerin. Dass er so lange fort war und
gleich nach seiner Rückkehr tödlich verunglückte,
hätte auf jeden Fall für Gerede gesorgt. Dein …
Onkel wollte das unbedingt verhindern, deshalb ließ er die
Leiche verschwinden. Aber glaube mir, mit dem, was geschah, waren sie
alle gestraft genug.«
         »Und
meiner Mutter sagte man nichts!«, rief Jinzi dazwischen. »Sie
wartete und wartete, bis sie fast den Verstand verlor. Wenn sie
erfahren hätte, was geschehen war, sie wäre diesen Leuten
an die Gurgel gegangen.«
         »Das
tat sie sogar, ohne es erfahren zu haben«, erinnerte Viktoria
sich an Yazis Bericht von ihrem Angriff auf Emily Huntingdon. »Deine
Nǎinai hätte nach deiner Mutter suchen lassen, wäre
sie dazu in der Lage gewesen. Viele Jahre später schickte sie
dann mich los. Du musst jetzt an die Zukunft denken. Margaret
Huntingdon will dich sehen. Und dann musst du deine Ansprüche
auf das Erbe durchsetzen. Der Anteil deines Vaters steht dir auf
jeden Fall zu, und das wird sie befürworten, solange sie noch
lebt.«
         Triumphierend
hielt sie die Heiratsurkunde in die Höhe, der Jinzi bisher kaum
Beachtung geschenkt hatte. Er blieb ruckartig stehen, warf sich dann
in einen Stuhl und verbarg das Gesicht in den Händen.
         »Ich
will kein Geld von diesen Leuten«, knurrte er. »So, wie
sie meine Eltern behandelt haben! Meine Großmutter werde ich
treffen, wenn das ihr letzter Wunsch ist, aber dann ist es genug.«
         Viktoria
stieß einen tiefen Seufzer aus. Warum konnte dieser Dickkopf
nicht ein einziges Mal an seine eigenen Interessen denken statt an
Ideale wie Loyalität? Erst als sie das leichte Beben seiner
Schultern bemerkte, wurde ihr klar, dass die Neuigkeiten für ihn
noch erschütternder gewesen sein mussten als für sie
selbst. Zaghaft

Weitere Kostenlose Bücher