Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition)

Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
Vom Netzwerk:
Viktoria zu,
obwohl ihr das bisher völlig unwichtig gewesen war. Dewei, über
den gesprochen wurde als sei er ein neu erworbener Gegenstand, saß
aufrecht auf seinem Stuhl. Fluchtversuche hatte er aufgegeben,
vielleicht eingeschüchtert durch so viele fremde Gesichter. Er
blieb völlig starr wie eine von Katzen umzingelte Maus, starrte
stumm in eine ihm unbekannte Welt.
         »Ich
frage mich«, murmelte Margaret Huntingdon, deren Kopf langsam
Richtung Kinn sank. »Hat mein Enkel auch solch wunderschöne
Augen? Oder sind sie so blau wie die von Andrew?«
         Viktoria
sah die alte Dame fragend an. Sie hatte kein Enkelkind. Robert und
Emily hatten beide die Vierzig längst überschritten, und
so, wie sie zueinander standen, war die Kinderlosigkeit ihrer Ehe
nicht erstaunlich. Wahrscheinlich wünschte Margaret sich ein
Enkelkind und entwarf im Geiste gerade Bilder von ihm. Aber wer war
dieser Andrew, von dem immer wieder gesprochen wurde?
         Das
Eintreten der Amah riss sie aus ihren Gedanken.
         »Wanne
jetzt voll«, erklärte sie. Dann warf sie Dewei einen Blick
zu, mit dem sie vielleicht auch eine Kanalratte gemustert hätte.
         »Dieses
Kind schmutzig. Ich nicht wollen anfassen«, protestierte sie
mit einer empörten Fistelstimme.
         »Deshalb
soll er ja gewaschen werden«, erwiderte Viktoria giftig und
erhielt einen feindseligen Blick.
         »Waschen
Straßenkind nicht meine Aufgabe«, stellte die Amah
hartnäckig fest. Viktoria holte Luft. Aufsässigkeit sollte
bei Bediensteten niemals geduldet werden, hatte ihre Mutter immer
wieder gemahnt. Diesmal sah sie einen triftigen Grund zur Strenge.
         »Es
ist schon gut, das musst du nicht«, mischte Margaret sich
plötzlich wieder ins Gespräch. »Hol den Diener, der
die Jinrikscha zieht.«
         Die
Amah verließ rasch den Raum.
         »Wenn
sie wütend wird, dann redet sie gleich mit Emily«,
erklärte Margaret ihr Verhalten. »Aber ich glaube, das
Kind will nicht von uns angefasst werden. Wir sind ihm zu fremd.«
         Dewei
saß immer noch reglos da, allein der Amah hatte er einen
aufmerksamen, fast hoffnungsvollen Blick geschenkt. Margaret beugte
sich nun vor und sprach ein paar Worte auf Chinesisch. Die
mandelförmigen Augen, welche die alte Dame sich bei ihrem
Enkelkind erträumt hatte, nahmen eine etwas rundere Form an.
Vermutlich wusste er von weißen Männern, die seine Sprache
beherrschten, denn Nathan hatte er nicht so erstaunt angeblickt. Aber
den fremden Teufelsfrauen traute er es offenbar nicht zu, sich in
seiner Sprache verständlich zu machen. Etwas Leben kam nun in
sein Gesicht, er öffnete leicht den Mund, wagte aber nicht zu
sprechen. Seine Finger, die bisher den Stuhl umklammert hatten, wie
um daran Halt zu suchen, entspannten sich.
         Shikai
trat zögernd ein und ließ jenen typisch chinesischen,
unauffälligen Blick aus den Augenwinkeln rasch durch den Raum
huschen. Die privaten Gemächer seiner Arbeitgeber betrat er wohl
zum ersten Mal. Seine Verbeugung drückte nichts als tiefste
Ergebenheit aus. Viktoria unterdrückte ein Lächeln. Sie
kannte mittlerweile einen anderen Shikai.
         »Bring
den Jungen ins Nebenzimmer, wo eine Wanne mit Wasser steht«,
meinte Margaret. »Er kann sich sicher selbst waschen, wenn man
es ihm erklärt. Und dann reibst du seinen Rücken mit dieser
Salbe ein, ob er will oder nicht.«
         Sie
griff nach der Dose, die Schwester Maud immer benutzte, wenn ihre
Patientin wunde Stellen an den leblosen Teilen ihres Körpers
bekommen hatte. Shikai nickte gehorsam, nahm die Dose in Empfang.
Dann packte er Dewei an den Schultern, um ihn wie ein Bündel
herauszutragen. Viktoria wollte protestieren, denn der Griff schien
ihr unnötig grob, doch der Junge fügte sich widerstandslos
in sein Schicksal.
         »Ich
glaube, er hatte eine Großmutter, die er mochte«, meinte
Margaret mehr zu sich selbst als zu Viktoria. »Als ich ihm
sagte, dass er sich nicht zu fürchten braucht, da glaubte er
mir.«
         Ihre
lebendige Gesichtshälfte formte wieder einmal ein Lächeln,
das aber nicht spöttisch wirkte, sondern sanft, beinahe
glücklich.
         »Und
jetzt ihre Hand, Miss Virchow«, redete sie weiter, nachdem sie
sich selbst aus den Träumen gerissen hatte. »Sie brauchen
auch etwas von der Wundsalbe und einen Verband. Das wird die Amah
erledigen müssen. Geben Sie ihr das Kleid, um es zu reinigen.
Sie haben doch noch eines, nicht wahr? Und wenn

Weitere Kostenlose Bücher