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Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition)

Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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ihres Kleides.
         »Ja,
das mag sein.«
         Robert
Huntingdon ging zum Fenster, warf einen kurzen Blick hinaus, um dann
zum Kamin zu schreiten, den Viktoria für eine Dekoration hielt.
Margaret hatte ihr zwar erzählt, dass es im Winter in Shanghai
durchaus schneien konnte, aber sie konnte sich diese Stadt nicht
anders vorstellen als so schwül wie ein Treibhaus.
         »Wie
soll es nun weitergehen?«, meinte Robert Huntingdon und wandte
sich ihr wieder zu. Nervös musterte sie ihren Arbeitgeber, den
sie bisher nur selten zu Gesicht bekommen hatte, denn bei den
Mahlzeiten der Familie war die Gesellschafterin nicht erwünscht.
Er war ein mittelgroßer, breitschultriger Mann, weder attraktiv
noch hässlich. Seine Neigung, ständig herumzulaufen und bei
festlichen Anlässen die Gesellschaft einflussreicher Männer
zu suchen, ließ die Sehnsucht erahnen, ebenfalls wichtig zu
sein.
         Anton
hätte Witze über diesen aufstrebenden kleinen Händler
gerissen, dessen schlichte, fast schäbige Kleidung auf
fantasielosen Geschmack und einen billigen Schneider schließen
ließ. Sie selbst hätte fröhlich mit eingestimmt. Doch
nun war sie von diesem kleinen Händler abhängig. Viktoria
riss sich zusammen, um nicht in Bitterkeit zu verfallen.
         »Ich
denke, der Junge kann erst einmal in meinem Zimmer bleiben. Dort
stört er niemanden«, meinte sie hartnäckig.
         Robert
Huntingdon legte beide Hände auf den Tisch, der zwischen ihnen
stand, und beugte sich vor.
         »Meine
Frau, Emily, sie mag keine Chinesen. Sie findet ihre Nähe höchst
unangenehm. Sie hat ein sehr nervöses, schwieriges Naturell, wie
so viele Damen dieser Welt.«
         Auf
seinem Gesicht erschien der Hauch eines Lächelns. Viktoria
staunte, dass der Hausherr tatsächlich Rücksicht auf seine
Frau zu nehmen schien. Oder war es nur ein Vorwand?
         »Ich
sagte doch schon, der Junge bleibt in meinem Zimmer. Ich kann ihn zu
Mrs. Huntingdon mitnehmen, wenn ich ihr vorlese und mit ihr rede. Sie
stört sich nicht daran, ich glaube, sie mag Kinder. Seine
Gegenwart scheint ihr gut zu tun.«
         Die
offensichtliche Sehnsucht der alten Dame nach Enkeln ließ sie
taktvoll unerwähnt. Robert Huntingdon schien trotzdem einen
Zusammenhang herzustellen, denn ein dunkler Schatten huschte über
sein Gesicht.
         »Miss
Virchow, bei allem Respekt für Ihr mitfühlendes Herz, hier
geht es nicht um einen ausgemergelten Straßenhund sondern um
ein chinesisches Kind.«
         Viktoria
fuhr auf.
         »Sie
meinen, ich dürfte einem chinesischen Hund helfen aber keinem
kleinen Chinesen?«, fragte sie so bissig, wie sie einst
manchmal mit ihrer Mutter geredet hatte. Sie erschrak, als ihr
bewusst wurde, dass sie sich in ihrer gegenwärtigen Lage keine
Frechheiten erlauben konnte. Doch Robert Huntingdon seufzte nur.
         »Er
wird kein kleines Kind bleiben, sondern heranwachsen«, meinte
er völlig ruhig. »Als niedliches Spielzeug meiner Mutter
und ihrer Gesellschafterin wird er auf Dauer nicht taugen. Er muss
eine Arbeit lernen.«
         Viktoria
gab sich kurzfristig geschlagen, auch wenn ihr der abfällige
Tonfall nicht gefiel.
         »Er
könnte doch den Dienstboten helfen«, schlug sie zaghaft
vor.
         »Wir
haben genug Bedienstete und die schlafen nicht in den Zimmern weißer
Leute. Ein derartiger Bruch mit der herrschenden Ordnung würde
zu Unmut führen.«
         Viktoria
fiel ein, dass Robert Huntingdon zu den Männern gehörte,
die ihre Mutter gern geheiratet hätte. Er hatte denselben,
unerbittlichen Pragmatismus. Angestrengt grübelte sie, was sie
der Aussage entgegenhalten konnte.
         »Es
wäre nur für den Anfang«, räumte sie schließlich
ein. »Der Junge hat Schlimmes erlebt, wurde misshandelt und
sollte sich in Ruhe erholen können. Wenn es ihm besser geht,
dann … dann könnte er ja bei den anderen Dienstboten
leben.«
         Dieses
Zugeständnis löste eine seltsame Mischung aus Erleichterung
und Schmerz in ihr aus. Als kärglich entlohnte Gesellschafterin
war sie kaum in der Lage, für ein Kind zu sorgen. Vielleicht
waren Chinesen auch grundsätzlich anders und sollten
untereinander bleiben. Aber die Vorstellung, Dewei wieder aus ihrem
Leben zu stoßen, versetzte ihr einen Stich, obwohl sie den
Grund dafür nicht begreifen konnte. Es wäre ja nicht
sofort. Sie würde abwarten, wie sich alles entwickelte.
         »Zwei
Wochen«, räumte Robert Huntingdon nach

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