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Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition)

Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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gesehen. Robert fiel es nicht so leicht. Ihm
fiel alles nicht so leicht wie …. Vielleicht sind wir
ungerecht zu ihm gewesen.«
         Ihr
Kopf sackte leicht nach vorn und ihr Atem beschleunigte sich. Dewei
blickte auf, sah sich nach Viktoria um. Wieder war das asiatische
Kindergesicht leicht zu lesen. Die nackte Angst vor einer Welt, in
der überall Gefahren lauerten und keine Geborgenheit von Dauer
sein konnte, stand darin geschrieben. Viktoria verspürte den
Wunsch, ihn zu umarmen. Sie beide fühlten, dass mit der alten
Dame etwas nicht stimmte. Vielleicht sollte Viktoria jetzt mit ihr
über unverfängliche Themen wie das Wetter reden, doch was
gab es dazu zu sagen, außer über Hitze zu klagen? Sie
konnte nicht anders, als den Weg nach vorn zu wagen.
         »Sie
haben einen zweiten Sohn namens Andrew«, stellte sie einfach
fest. Margaret blieb ruhig, nickte nur. Viktoria schöpfte Mut.
         »Was
ist aus ihm geworden?«, fragte sie nach einer kurzen Pause, da
sie Margaret aufmerksam beobachtete und auf weitere Zeichen der
Aufregung wartete, die ihr Einhalt gebieten würden. Doch die
alte Dame blieb völlig gelassen.
         »Er
ging fort«, sagte sie nur. »Nach ein paar Jahren kehrte
er zurück, aber … aber …«
         Ein
Ruck fuhr durch ihren Körper. Sie stemmte ihren Arm in die
Stuhllehne, warf den Kopf zurück und schnappte nach Luft, als
werde sie gewürgt. Ein paar heisere Laute drangen aus ihrer
Kehle, als habe sie Schwierigkeiten, Worte zu formen. Viktoria wurde
unwohl, denn Robert Huntingdon hatte einmal erzählt, dass seine
Mutter nach ihrem Schlaganfall fast ein Jahr lang nicht hatte reden
können.
         »Er
hinterließ mir den Ring. Ich musste ihn verstecken, damit
Robert ihn nicht wegnimmt und verkauft, so wie all die anderen
Dinge«, stieß Margaret nun doch mühsam hervor. »Er
ist in meiner Schmuckschatulle, ganz unten, da ist eine Stelle unter
dem Futter, die habe ich ausgeschnitten und wieder zugenäht.
Bitte, Miss Virchow, ich will den Ring sehen.«
         Nun
bebte Margaret als hätte sie hohes Fieber. Dewei sprang auf und
flüchtete in die Zimmerecke, wo er kauernd sitzen blieb.
Vermutlich hielt er sich an dem Anfall für schuldig, doch sein
Fortgehen änderte nichts an Margarets Zustand.
         »Den
Ring!«, krächzte sie wie ein trotziges Kind. »Ich
will den Ring sehen!«
         Viktoria
stand auf, lief zu der Kommode, auf der Margarets Schmuckschatulle
stand. Sie hoffte, die alte Dame dadurch zu beruhigen, doch brannte
sie auch vor Neugierde. Bildete Margaret sich das alles nur ein?
Hatte es diesen Andrew, von dem sonst niemand sprach, wirklich
gegeben? Viktoria riss die kleinen Schubladen des chinesischen
Kästchens auf und begann zu suchen.
         »Miss
Virchow, alles dreht sich«, drang Margarets Stimme nun sehr
leise und langsam an ihr Ohr. »Mir geht es nicht gut. So wie
damals. Ich brauche Hilfe. Es ist schlimm. Ich glaube, es ist
schlimm.«
         Viktoria
rannte zurück an Margarets Seite. Die alte Dame röchelte
laut und hatte ihren Kopf mit beiden Händen umklammert, presste
ihn zusammen, als wolle sie ihren Schädel zerdrücken. Sie
beugte sich vor, dann quoll Erbrochenes aus ihrem Mund, ergoss sich
über ihr Kleid und spritzte auf den bildschönen
Seidenteppich. Dewei, der plötzlich wieder neben dem Sessel
stand, begann auf Chinesisch zu schreien. Viktoria griff nach der
Klingel und schüttelte sie mit aller Kraft, zu der sie fähig
war. Obwohl sie nie besonders gläubig gewesen war, hörte
sie sich laut beten. Schritte erklangen. Dewei huschte rasch zur Tür
hinaus.

    ******

         »Der
Anfall scheint keine schlimmen Folgen zu haben«, erklärte
Robert Huntingdon beim gewohnten Auf- und Abschreiten im Salon.
         »Meine
Mutter hat weder ihre Sprache verloren, so wie damals, noch an
Bewegungsfähigkeit eingebüßt. Dennoch beunruhigt es
mich. Es war ein Schlaganfall, wenn auch ein sehr leichter.«
         Emily
nickte kurz. Sie sah blass und verbittert aus. Aber das tat sie
immer.
         »Es
freut mich, dass es Ihrer Mutter wieder gut geht«, meinte
Viktoria. Die anklagenden Blicke von Robert und Emily lösten
unklare Schuldgefühle aus, machten sie aber auch wütend.
Was hatte sie denn getan, außer Fragen zu stellen?
         »War
der chinesische Junge anwesend, als meine Schwiegermutter den Anfall
bekam?«, fragte Emily plötzlich. Viktoria fuhr ein Schauer
über den Rücken. Man suchte die Schuld also nicht

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