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Das Geheimnis der Krähentochter

Das Geheimnis der Krähentochter

Titel: Das Geheimnis der Krähentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Becker
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über das richtige Temperament
für das, was nun folgen würde?
    Erneut warf Bernina einen Blick über ihre Schulter.
    Falkenberg und seine Soldaten verloren keine Zeit. Sie hatten die
Verfolgung aufgenommen, der Oberst mit einem Ausdruck wilder Entschlossenheit
an der Spitze, und waren ihnen bereits dicht auf den Fersen. Eusebios nackte
Fersen gruben sich in kurzer Folge ein paar Mal in die Seiten des Pferdes.
Bernina trieb ihr Pferd ebenfalls an, es war ein Hengst, den Helene oft geritten
hatte.
    Die Verfolger kamen näher, die Hufe ihrer Tiere donnerten über die
Erde. Bei einem weiteren raschen Blick zurück sah Bernina, dass Schloss
Wasserhain mit den schönen Parkanlagen schon erstaunlich klein geworden war.
Sie ritten durch hohe, gelblich verfärbte Wiesen, doch auf einmal wurde das
Gelände hügelig, felsig. Steil nach oben ging es, die Reiter hinter ihnen mit
diesem entnervenden Donnern der Hufe, in noch geringerem Abstand als zuvor.
    »Wir schaffen es nicht«, schrie Eusebio.
    Es sah schlecht aus, das erkannte auch Bernina. Aber dann dachte
sie wieder daran, wie Eusebio sie angesehen hatte, als sie vorhin die Leiter
emporgestiegen war. Wie er dieses eine Wort mit den Lippen formte, das sie traf
wie ein Blitzschlag: Anselmo.
    Dieses eine Wort hatte ihr gereicht.
    »Nicht aufgeben, Eusebio!«, hörte sie ihre eigene Stimme.
Schriller, als sie sie jemals zuvor wahrgenommen hatte. »Nicht aufgeben!
Weiter!«
    Noch mehr graues Felsgestein, dann nahm ein
dichter Wald seinen Anfang, und Bernina und Eusebio hielten direkt auf den
dunklen Wall aus Bäumen zu. Inmitten des Waldes tat sich plötzlich eine
Schlucht auf. Sie ritten in die enge, tiefe Schneise hinein.
    »Hoffentlich ist das kein totes Tal«, rief Eusebio. »Beten wir,
dass wir hier irgendwie wieder rauskommen.«
    Bernina antwortete nicht. Sie hatte bereits das Ende der Schlucht
ausgemacht, wo der Wald erneut dichter wurde. Und steiler. Hoch hinauf ging es
über erdigen, von zahllosen Wurzelsträngen aufgerissenen Boden. Die Pferde
liefen immer noch mit Kraft, es waren ausdauernde Tiere, und das gab Bernina
Zuversicht.
    Als sie eine Anhöhe erreichten, zügelte sie zum ersten Mal ihr
schweißüberströmtes Tier. Kaum noch Bäume, nur eine einsame große Eiche, dafür
bot sich ein Ausblick über einen großen Teil des gesamten Waldes. Eusebio hatte
ebenfalls hart an den Zügeln gerissen. Beide blickten sie nach unten, in die
Richtung, aus der sie gekommen waren, hinein in den Wald, beide voller
Anspannung, in banger Erwartung, was sie gleich sehen würden. Doch es gab
nichts zu erblicken. Ihre Verfolger schälten sich nicht einer nach dem anderen
aus dem Waldrand, kein einziger von ihnen tauchte auf, nicht einmal Jakob von
Falkenberg.
    »Abgeschüttelt«, schnaufte Eusebio. »Ich habe keine Ahnung, wie
wir es geschafft haben, aber wir haben sie erst einmal abgehängt.«
    »Ich fürchte, wir dürfen uns nicht zu sicher sein.«
    »Gönnen wir den Pferden trotzdem eine Verschnaufpause. Von hier
oben haben wir einen guten Blick – hier ist es nicht leicht, sich zu
nähern, ohne dass wir es bemerken.«
    Bernina nickte. »Einverstanden.«
    Sie stiegen ab und führten die Pferde zu der großen Eiche. Dann
ließen sie sich auf der Erde nieder, ihre Blicke ständig kreisend, bereit,
wieder aufspringen und die Flucht von Neuem aufnehmen zu müssen.
    »Selbst wenn wir noch nicht außer Gefahr sind«, meinte Bernina,
ihre Stimme nicht mehr als ein Hauch. »Ich kann es einfach nicht mehr
aushalten. Du musst mir endlich etwas sagen.« Und wiederum spürte sie den
Trommelschlag ihres Herzens, eine Spannung, die jede Faser ihres Körpers
ergriff.
    »Natürlich muss ich das«, erwiderte Eusebio und suchte weiterhin
mit konzentrierten Blicken die Umgebung ab. »Deswegen habe ich mich auf diesen
weiten Weg gemacht. Um dir dieses Eine zu sagen.« Er richtete seinen Blick auf
sie. »Ich weiß, wo Anselmo ist.«
    Berninas Hände verkrampften sich ineinander. »Das heißt, dass er
lebt?«
    »Selbstverständlich lebt er«, kam die Antwort, fast schon
beiläufig.
    »Aber man sagte mir, er sei tot!« Bernina hatte Tränen in den
Augen. »Ich habe den Ring erhalten, mit dem er mich um meine Hand gebeten hat.«
Mit eiligen Handgriffen holte sie das Schmuckstück aus dem Stoff ihres Kleides
hervor – als sie das letzte Mal ihr Zimmer im Palast betrat, hatte sie
nicht nur die Büchse an sich genommen.
    »Er lebt«, wiederholte Eusebio.
    »Ich war überzeugt, dass er tot ist. Ich

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