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Das Geheimnis der Krähentochter

Das Geheimnis der Krähentochter

Titel: Das Geheimnis der Krähentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Becker
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Gefühl. Ich
kenne Jakob von Falkenberg.« Und dann wiederholte er seine Worte: »Er ist nicht
nur für Ruhm und Ehre hier. Bernina, er ist auch Ihretwegen hier.«
    Anselmo saß auf dem Strohlager, die Knie angezogen, die Arme
darübergelegt. Erst jetzt ließ er sich vernehmen: »Im Gegensatz zu euch kenne
ich diesen Herrn zwar nicht, aber falls er gefährlich werden könnte …«
    »Und ob der das könnte «, warf Poppel ein.
    »Normalerweise wäre ich nicht dafür, einfach eine Flucht ins
Nichts anzutreten. Wenn wir dich dadurch allerdings vor noch größerer Gefahr
bewahren können, Bernina, sollten wir es wagen.«
    »Du bist noch zu schwach für eine solche Anstrengung«, widersprach
Bernina.
    Er grinste. »Keineswegs, Bernina, ich kann ja fast schon wieder
Bäume ausreißen.«
    »Aber Anselmo, ich habe es doch vorhin mit eigenen Augen
gesehen – du bist noch schwach.« Unruhig trat Bernina ans Fenster. »Und es
bleibt dabei: Wir wüssten nicht einmal, wohin. Und jeden Augenblick können die
Kämpfe wieder aufgenommen werden.«
    »Ich bleibe bei meiner Meinung«, betonte Poppel. »Versucht euch
durchzuschlagen. Nutzt die Nacht, um aus dieser Falle herauszukommen. Das ist
mehr als dürftig, doch ich wüsste nicht, wie ich euch weiterhelfen könnte. Ich
bin selbst ziemlich ratlos.«
    Bernina seufzte. »Vielleicht sollten wir es wirklich wagen.« Sie
klang nicht gerade überzeugt.
    »Nun gut, auf jeden Fall werde ich nachsehen«, meldete sich Poppel
erneut zu Wort, »ob ich in diesem Haus noch etwas Proviant für euch auftreiben
kann. Wir treffen uns unten am Eingang.« Er verschwand.
    Anselmo erhob sich. »Bernina, ich habe es gemerkt, habe es
gespürt. Es war mir sofort klar.«
    »Was?«
    »Dass Falkenberg der Mann ist, von dem du mir erzählt hast. Der
Mann, den du geliebt hast.«
    Bernina ging auf Anselmo zu und ließ sich von ihm in die Arme
nehmen.
    Das Zimmer, in dem sie sich befanden, wirkte auf einmal so
bedrückend, so eng.
    »Ich habe lange genug meine Beine ausgestreckt.« Anselmo bemühte
sich, heiter zu klingen. »Eigentlich finde ich es ganz gut, dass wir uns von
diesem Turm verabschieden. Du wirst sehen, wenn wir erst unterwegs sind, wird
es fast so sein wie früher.«
    »Ach, Anselmo, das wäre schön.«
    »Eines Tages wird es wieder so sein.«
    Im nächsten Moment sank er in die Knie.
    »Anselmo!« Sie musste ihn stützen. Langsam, Schritt für Schritt,
führte sie ihn zum Lager, wo er zusammensackte.
    »Mir … geht … es … gut …« Seine Stimme war
dünn, und schon hatte er das Bewusstsein verloren.
    »Anselmo«, flüsterte sie, aber er reagierte nicht. Er lag auf dem
Rücken, schlafend, die Gesichtszüge völlig entspannt. »Schlaf, Anselmo, schlaf,
und schöpfe neue Kräfte.«
    Plötzlich drangen Geräusche ins Zimmer, von unten, ein lautes
Krachen. Bernina hörte Poppels Stimme: »Wer ist da?«
    Wieder das Krachen, dann zersplitterndes Holz, als hätte jemand
die Tür eingetreten oder eingedrückt. Bernina hielt den Atem an. Ihr Blick fiel
auf Anselmo. Unverändert lag er da. Dann laute Männerstimmen, gleich darauf das
wilde Stapfen von Stiefeln auf der Treppe.
    Mit der Nacht war ein Wind gekommen, der an der schiefen Wand des
Turmes brach und an dem Gebäude rüttelte. Bernina hörte ihn und hörte ihn auch
nicht. Selbst die Schritte drangen kaum in ihr Bewusstsein. An Anselmos Seite
saß sie ganz ruhig da und betrachtete seine gleichmäßigen, entspannten Züge.
    Die Tür wurde aufgestoßen. Das Knirschen der Sohlen auf
schmutzigem Boden. Erst jetzt drehte Bernina sich um. Ein Soldat, wie ihr schon
viele begegnet waren. Unrasierte Wangen, spitzer Kinnbart, gehetzte Augen, der
Degen kampfbereit in der Hand. Er sah auf sie hinab, dann rasch hinter sich.
»Hier!«, brüllte er, worauf wieder Stiefelschritte erklangen. Keine eiligen,
sondern geradezu aufreizend ruhige Schritte. Der Soldat schob sich aus dem
Raum, ohne den Blick von Bernina zu lassen. Im körnigen Schein der Kerze
erwuchs die schlanke Gestalt eines anderen Mannes. Er betrat das Zimmer und
schloss mit einer lässigen Bewegung die Tür hinter sich, genau vor den Augen
des Soldaten, in die sich ein neugieriger Ausdruck gemischt hatte.
    Bernina richtete sich auf. Wie ein Schutzschild ragte sie vor dem
ruhenden Mann hinter ihr auf, um den eben Eingetretenen zu betrachten, der sich
auf einem der Schemel niederließ. Erneut auf betont aufreizende Art. Von
gewohnter Eleganz seine Kleidung, der Hut mit der Feder nass vom

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