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Das Geheimnis der Krähentochter

Das Geheimnis der Krähentochter

Titel: Das Geheimnis der Krähentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Becker
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erkunden.
    Durch die Öffnung in der Plane spähte sie unentwegt nach draußen,
beobachtete, wie sich Menschen und Tiere in geisterhafte, durch die anbrechende
Nacht huschende Schemen verwandelten. Erst wunderte sich Bernina noch, dass
keine Feuer entfacht wurden, dann aber kam sie zu dem Schluss, dass das eine
Vorsichtsmaßnahme war, um einem möglicherweise nachrückenden Feind nicht allzu
leicht aufzufallen.
    Wie lange mochte es her sein, dass Melchert
Poppel aufgebrochen war? Sie wusste es nicht, hatte jegliches Zeitgefühl längst
verloren. Beinahe verspürte sie schon Wut auf den Feldarzt in sich brüten, auch
wenn das ungerecht war. Dann wieder machte sie sich Sorgen um ihn. War Poppel
womöglich etwas zugestoßen?
    Diese Warterei empfand sie als Folter.
    Die Geräusche des Lagers wurden gedämpfter. Unterhaltungen
verebbten, ebenso Trinksprüche und Gelächter, nur hier und da war das Schnauben
der Pferde zu hören.
    Doch da war noch etwas. Bernina fuhr hoch. Sie hörte Schritte.
    Schritte, die sich dem Wagen näherten. Alles in ihr spannte sich
an. Im nächsten Moment wurde die Plane ein Stück weit zur Seite bewegt –
und ein Gesicht tauchte auf, gespenstisch weiß in der Dunkelheit, mit zwei
müden Augen, die das Innere des Wagens absuchten.
    »Da sind Sie ja endlich!«, rief Bernina aus.
    »Ja, da bin ich.«
    Der Arzt stemmte sich in den Wagen und warf dabei noch einen
raschen Blick zurück, um sich dann auf eine geschlossene Truhe zu setzen.
    »Es tut mir leid, dass es etwas länger gedauert hat, Bernina.«
    Er entzündete eine Kerze und stellte sie vorsichtig auf einer
Kiste ab.
    »Sagen Sie doch bitte«, drängte sie ihn voller Ungeduld. »Was
haben Sie herausgefunden?«
    »Mmh.« Im Schein der Kerze wirkten seine Züge älter, geradezu
maskenhaft. »Es gibt schlechte Nachrichten.«
    Bernina stöhnte leise auf.
    »Das heißt allerdings nicht, dass wir völlig ohne Hoffnung sind.«
    Sie fiel auf die Knie, und ihre Finger krampften sich ineinander.
»Sagen Sie mir bitte, was los ist.«
    Poppels Blick ruhte auf ihr. In seinen Augen war nichts zu lesen.
»Also, es gibt tatsächlich Gefangene in diesem Lager«, begann er endlich. »Aber
das sind nicht mehr alle, die beim Aufbruch der Armee in Ippenheim dabei
gewesen sind. Einige Soldateneinheiten sind schon von diesem Lager hier wegbeordert
worden. Und zwar um Scheinangriffe auf mögliche Verfolger durchzuführen. So
soll verhindert werden, dass die eigene Hauptarmee überfallen wird. Und bei
diesen Einheiten befinden sich auch Gefangene, die wiederum als Träger
eingesetzt werden.«
    »Ist Anselmo dabei?«
    »Das weiß ich leider noch nicht, Bernina. Aber lassen Sie mich
Ihnen erst einmal die Lage erklären. Falkenbergs Ziel ist es, sich so schnell
wie möglich zu einer größeren kaiserlichen Armee unter Führung General Benedikt
von Korths durchzuschlagen. Allein auf sich und seine Truppen gestellt, hat der
Oberst nach dem Desaster von Ippenheim gegen den Feind keine Chance mehr. Arnim
von der Tauber ist ihm zahlenmäßig weit überlegen. Heute Abend habe ich auch
erfahren, dass von Korth uns entgegenkommt. Aus nördlicher Richtung.
Falkenbergs Problem ist es, dass seine Armee mit allen Wagen und dem gesamten
Tross nicht sonderlich schnell vorankommt. Deshalb hat er ja bestimmte
Einheiten weggeschickt, um den Feind …«
    »Verzeihung«, schnitt Bernina ihm schroffer als gewollt das Wort
ab. »Aber Sie schweifen ab. Was ist mit Anselmo?«
    »Tut mir leid, ich hole zu weit aus«, meinte der Arzt nickend.
»Ich glaube, ich bin einfach nur hundemüde. Also, wie gesagt, ein Teil der
Gefangenen befindet sich bei den wegbeorderten Truppen, und die anderen sind
hier zurückgeblieben. Diese werden morgen früh Gräber ausheben müssen.«
    Bernina hing an seinen Lippen.
    »In all den Wagen hier«, fuhr Poppel fort, »sind eine Menge
Schwerverletzter, für die es keine Hoffnung gibt. Viele werden den Morgen nicht
mehr erleben, einige davon sind bereits gestorben. In aller Frühe wird man sie
begraben müssen.«
    »Ist Anselmo bei denen, die die Gräber schaufeln müssen?«
    »Zumindest scheint ein Mann darunter zu sein, auf den Ihre
Beschreibung passt. Bunte Pluderhosen, schwarzes Haar, dunkler Teint, schlanke
Figur. Aber gesehen habe ich ihn noch nicht.«
    »Ich will zu ihm.« Bernina sprang auf. »Sofort!«
    »Halt!« Auch Poppel erhob sich. Seine Hand legte sich auf ihren
Arm. »Nicht sofort. Nicht heute Nacht. Bernina, Sie könnten alles verderben,
wenn Sie

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