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Das Geheimnis der Krähentochter

Das Geheimnis der Krähentochter

Titel: Das Geheimnis der Krähentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Becker
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Eusebio«, versicherte Bernina. »Und ich denke
genau wie du.« Sie versuchte Gewissheit in ihre Stimme zu legen.
    Aber glaubte sie das tatsächlich? Sie schwiegen wieder, und
Bernina musste an Rosa denken. An Eusebios Erklärungen mochte viel Wahres sein,
aber nichtsdestotrotz sah Bernina wieder das, was sie im Stein der Wahrheit
erblickt hatte. Anselmo blutend, das Messer in seiner Brust. Sie daneben, ihre
Hand am Messer. Das alles hatte Bernina sich nicht eingebildet, sondern
tatsächlich gesehen, und es löste nach wie vor Beklemmung in ihr aus. Es war
ihr einfach nicht möglich, diese Bilder völlig zu verdrängen oder sie nur als
schwarzen Zauber einer merkwürdigen alten Seherin abzutun.
    Doch nicht nur darum kreisten ihre Gedanken. Auch um Jakob von
Falkenberg. Das Gespräch mit ihm, die Atmosphäre, die dabei geherrscht hatte.
Und wie es geendet hatte. Noch immer konnte sie seine Anwesenheit fühlen, als
würde auch er sich auf diesen engen Bock des Wagens neben sie zwängen. Wie
eigenartig sie sich gefühlt hatte, als er sie küsste, irgendwie überrumpelt,
doch andererseits nicht im Geringsten überrascht. Überraschender war eher, dass
sie es geschehen ließ. So wie bei Anselmo, bei ihrem ersten Kuss im
Schwarzwald. Nur dass diesmal der Situation jede Unschuld fehlte. Was vor allem
an Falkenberg lag, dessen Wesen nach wie vor ein großes Rätsel für Bernina
blieb. Manchmal wirkte er rücksichtslos und hart, und im nächsten Moment wieder
geradezu gefühlvoll, sogar verletzlich. Dieser Kuss war ihr unter die Haut
gegangen, irgendwo dorthin, wo ihr Herz schlug, und jetzt, im Nachhinein,
schämte sie sich dafür. Sie liebte Anselmo, daran zweifelte sie keine Sekunde
lang, mit Sicherheit nicht. Umso verstörender war die Wirkung, die Falkenberg
auf sie auszuüben schien. Daran änderte auch die Tatsache nichts, dass sie ihn
schließlich mit aller Entschlossenheit von sich geschoben hatte, ihr Gesicht
voller Zorn, um ihn einfach stehenzulassen und mit bebendem Herzen aus dem Zelt
zu laufen. Sie wusste nicht, ob das Lachen, das sie in jenen Augenblicken
hörte, von ihm kam oder nur in ihrer Einbildung erklungen war.
    Nicht einmal die bissiger werdende Kälte ließ die Eindrücke ihrer
Begegnung mit dem Oberst verblassen. Der Regen hörte auf, setzte aber rasch
wieder ein, vorwärtsgepeitscht von frischen Windböen, während Falkenbergs Armee
unverdrossen weiterzog. Aus westlicher Richtung tauchte ein Reiter auf, der
sein Pferd in vollem Galopp zur Spitze des Zuges trieb. Melchert Poppel deutete
darauf. Selbst auf die beträchtliche Entfernung war zu erkennen, wie erschöpft
das Tier des Mannes war. »Möglicherweise ein Meldereiter«, murmelte Poppel.
    »Von diesem General von Korth?«
    »Wäre nicht das Schlechteste für uns alle.« Der Feldarzt hob kurz
die Schultern. »Aber dann würden er und sein Pferd nicht so einen mitgenommenen
Eindruck machen. Denkbar, dass er zu einer jener Einheiten gehört, die
Falkenberg ausgeschickt hat, um den Feind von seinem Haupttrupp abzulenken.«
    Von dem Reiter war nichts mehr zu sehen, womöglich hatte er
bereits die Spitze des Zuges und damit Oberst Falkenberg und die anderen
Offiziere erreicht.
    »Hoffentlich«, meinte Bernina nachdenklich, »bringt dieser Melder
erfreuliche Nachrichten mit.«
    »Mmh …« Poppel schob diesen leeren Ton nachdenklich zwischen
seinen Lippen hinaus, und Bernina erkannte, dass er wachsamer, konzentrierter
wurde.
    Es war früher Nachmittag, als die letzten Regentropfen fielen. Der
Himmel jedoch behielt seine tote graue Farbe. In der Luft lag Feuchtigkeit.
Eine kurze Rast wurde anberaumt, die Pferde getränkt, die Menschen aßen ein
Stück getrocknetes Fleisch oder was immer sie noch an Proviant hatten. Der
Befehl zum Aufbruch kam. Es ging weiter wie zuvor. Und doch lag eine andere
Stimmung über der Armee. Eine Spannung machte sich breit, schien jeden zu
erfassen. Die Zurufe klangen verändert, wurden weniger, blieben schließlich
ganz aus.
    »Was geht auf einmal vor?«, raunte Bernina dem Arzt zu.
    »Ich weiß auch nicht. Jetzt heißt es, wachsam zu sein.« Sein Blick
suchte Bernina und Eusebio. »Sagt mir sofort, wenn euch etwas auffällt. Was
immer es sein mag.«
    Stumm nickten ihm beide zu. Fast im selben Moment zog eine Schar
Krähen über ihre Köpfe hinweg. Das Gefieder hob sich glänzend gegen den trüben
Himmel ab. Bernina schaute ihnen hinterher und hatte dabei den Eindruck, die
Vögel würden ihren Blick erwidern. Die Erinnerung

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