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Das Geheimnis der Krähentochter

Das Geheimnis der Krähentochter

Titel: Das Geheimnis der Krähentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Becker
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sturen
Dickkopf. Wissen Sie, was er sagte, als ich das erste Mal nach der Amputation
mit ihm sprach? Ich bin mit einer Hand noch mehr wert als alle anderen Männer,
die beide Hände haben.«
    »Wie geht es ihm?«, fragte Bernina unbeeindruckt, ohne Poppel
dabei anzusehen. Jenen seltsamen Kuss auf dem dunklen Gang im Haus bei Kraubach
hatten weder sie noch der Arzt auch nur mit einem Wort erwähnt.
    »Der Oberst ist auf einem guten Weg. Auch wenn er will, dass ich
ihn begleite: Ich kann eigentlich nichts mehr für ihn tun, außer für ihn zu
hoffen. Wenn es so weiterläuft, wird er sich erholen. Bernina, mir ist klar,
wie sehr es sie drängt, mit ihm zu sprechen. Aber er schläft immer noch die
meiste Zeit über. Wenn wir am Ziel sind, wird sich leichter eine Gelegenheit
finden lassen.«
    Dieses Ziel war das Gut, das der Oberst schon in Kraubach ins Auge
gefasst hatte. Trotz der weiten Entfernung war man dorthin aufgebrochen. Die
Bedenken des Arztes und der Offiziere angesichts der strapaziösen Reise hatte
Jakob von Falkenberg einfach beiseitegewischt.
    Sie nahmen nicht den direkten Weg, sondern
wählten Landstriche, die gar nicht oder nur spärlich besiedelt waren. So waren
auch kaum Spuren des endlosen Krieges zu sehen. Geradezu unberührt wirkten die
Gegenden, durch die sie ostwärts zogen, zumindest bis sie in die weitere
Umgebung von Nürnberg gelangten. Nach ersten verstreut liegenden Höfen tauchten
kleinere Siedlungen am Horizont auf. Bald darauf zeigte auch der Krieg wieder
eines seiner hässlichen Gesichter. Sie passierten ein bedrückendes Labyrinth
aus Schanzen, Gräben und Mauern. Hier und da waren die Überbleibsel weiterer
Bollwerke aus Erdreich und nur noch kahl aufragenden Pfählen zu sehen. Tausende
Menschen mussten damit beschäftigt gewesen sein, das alles zu erschaffen.
    »Hier fand die große Schlacht vor der Alten Veste statt«, erklärte
Poppel, dem Berninas Erschauern nicht entgangen war. »Das ist nun schon ein
paar Jahre her. König Gustav Adolf von Schweden hatte sich in Nürnberg
verschanzt und aus der Stadt eine Festung gemacht. Er wurde belagert von der
kaiserlichen Armee – von deren oberstem Befehlshaber Wallenstein. Die
Nürnberger hungerten, Seuchen grassierten, die Zeit schritt voran, ohne dass
etwas geschah.« Während er sprach, starrte Poppel mit einem merkwürdigen
Ausdruck in seinen Augen vor sich hin. »Bis Gustav Adolf dann auf einmal
angriff – und eine empfindliche Niederlage erlitt.«
    »Sie sehen aus«, sagte Bernina, die wie gewöhnlich neben ihm auf
dem Bock saß, gehüllt in seine Jacke, »als wären Sie dabei gewesen.«
    »Oh ja, meine Liebe, ich war dabei, und Jakob von Falkenberg
ebenfalls. Noch nicht als Oberst, aber schon so verwegen, dass er von sich
reden machte. In einer besonders gewaltigen Phase der Schlacht rettete er das
Leben keines Geringeren als Wallenstein persönlich. Das war die Tat, die seinen
Namen erstrahlen ließ wie einen Stern. Von da an war Falkenberg in aller Munde.
Tja, und jetzt hält man ihn für tot.«
    »Was meinen Sie, Herr Poppel, wie lange wird er versuchen, sein
Überleben geheim zu halten?«
    »Die Frage ist, ob das überhaupt gelingt. Irgendwie wird die
Wahrheit schon ans Licht kommen. Wünschen wir ihm, dass die Zeit reicht, um
wieder vollständig zu genesen. Damals, bei der Rettung von Wallensteins Leben,
wurde er zum ersten Mal verletzt. Aber das war nur eine kleine Schramme.«
Poppel sprach weiter, jetzt ganz gefangen von den Erinnerungen. »Wallenstein
überlebte dank Falkenbergs Mut und feierte seinen großen Sieg über Gustav
Adolf. Der stellte schnell eine neue Armee auf und fiel bei der Schlacht von
Lützen. Und Wallenstein folgte ihm vor zwei Jahren, betrogen von seinem großen
Gönner, von Kaiser Ferdinand höchstpersönlich, ermordet von Feiglingen. Beide
sind sie tot, Gustav Adolf wie auch Wallenstein, zwei große Männer. Falkenberg
traute man zu, in ihre Fußstapfen zu treten, und nun hätte es auch ihn fast
erwischt. Nur der Krieg scheint alles zu überleben.«
    »Haben Sie Falkenberg eine solche Laufbahn auch zugetraut?«
    »Er ist noch jung«, erwiderte Poppel etwas ausweichend. »Wer kann
schon sagen, welchen Weg er noch gehen wird? Er ist tollkühn, ja mehr als das.
Genau das wäre ihm beinahe zum Verhängnis geworden. Das nächste Mal hat er womöglich
nicht mehr so viel Glück.«
    Von Weitem sahen sie die Burg, die eindrucksvoll über Nürnberg zu
schweben und würdevoll Wache zu halten schien.
    »Das ist

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