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Das Geheimnis der Lady Audley - ein viktorianischer Krimi

Das Geheimnis der Lady Audley - ein viktorianischer Krimi

Titel: Das Geheimnis der Lady Audley - ein viktorianischer Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dryas Verlag
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seiner bevorstehenden Abreise mit seinem Freund George Talboys, den er kürzlich wiedergetroffen und der gerade seine Frau verloren habe.
    Alicias Antwort kam postwendend: „Mein lieber Robert! Wie herzlos von dir, vor der Jagdsaison in ­dieses ­grässliche St. Petersburg davonzulaufen. Ich habe gehört, dass die Menschen in diesem ­widerwärtigen Klima ihre Nasen ­verlieren, und da die deine ­ziemlich lang ­geraten ist, ­empfehle ich dir zurückzukehren, bevor das schlimmste Wetter dort einsetzt. Was für ein Mann ist ­dieser Mr ­Talboys eigentlich? Wenn er sehr nett ist, darfst du ihn zum Court mitbringen, sobald du von ­deinen ­Reisen zurück bist. – Lady Audley lässt dich ­bitten, Zobelfelle für sie zu ­besorgen. Du sollst nicht auf den Preis, ­sondern allein ­darauf achten, dass es die schönsten sind, die man überhaupt erwerben kann. Papa ist völlig närrisch mit seiner Frau. Doch sie und ich, wir kommen ganz und gar nicht miteinander aus. Sie ist so heillos ­kindisch und töricht. Deine dich liebende Cousine Alicia Audley.“

7. Kapitel

    D as erste Jahr von George Talboys’ Leben als Witwer war verstrichen. Der dunkle Trauerflor an ­seinem Hut war braun und moderfleckig ­geworden. Und während der letzte heiße Tag im Monat August zur Neige ging, saß er wieder in den friedlichen Räumen im Fig Tree Court. Er hatte sein Leid nun schon um zwölf Monate überlebt. Äußerlich mochte er sich nicht verändert haben, doch der Himmel wusste, welche verzehrenden Höllenqualen der Reue und Selbstvorwürfe sein aufrichtiges Herz ­marterten, wenn er nachts wach in seinem Bett lag und an die Frau dachte, die er für seine dumme Jagd nach Reichtum im Stich gelassen hatte.
    George Talboys verließ die Räume seines Freundes nur, um hin und wieder nach Southampton zu fahren und ­seinen kleinen Jungen zu sehen. Mit Spielzeug und ­kandierten Früchten beladen, machte er sich stets auf den Weg. Doch trotz aller Bemühungen wollte Georgey mit ­seinem Papa nicht wirklich vertraut werden. Das Herz wurde dem jungen Mann schwer, wenn er darüber nachgrübelte, dass auch sein Kind für ihn verloren war.
    Schließlich jährte sich jener Tag, an dem George die Anzeige vom Tod seiner Frau in der Times gelesen hatte. Schweren Herzens legte er seine schwarze Kleidung ab und entfernte das ausgeblichene Trauerband von seinem Hut. George hatte seit damals den Namen seiner Frau nicht einmal erwähnt.
    Da verkündete Robert Audley eines Morgens: „Ich werde heute meiner Cousine Alicia einen Brief schreiben, mein lieber George. Und ich werde sie davon unterrichten, dass wir beide für eine Woche zur Jagd nach Audley Court kommen werden.“
    „Nein, Bob, fahre nur allein dorthin.“
    „Du willst dich im Fig Tree Court vergraben? Nur in Gesellschaft meiner Kanarienvögel? – Nein, George, das wirst du nicht tun.“
    „Aber ich mache mir nichts aus der Jagd.“
    „Meinst du, ich mache mir etwas daraus?“, rief Robert lachend. „Wirklich, ich kann ein Rebhuhn nicht von einer Taube unterscheiden. Bislang habe ich bei der Jagd noch nie etwas anderes verletzt als mich selbst. Nach Essex reise ich nur wegen der Luftveränderung, des guten Essens und des Anblicks des ehrlichen und freundlichen Gesichts meines Onkels. Dieses Mal habe ich allerdings noch einen weiteren Beweggrund: Ich möchte dieses blondhaarige Musterwesen, meine neue Tante, kennenlernen. Kommst du mit, George?“
    Schicksalsergeben, so wie Robert Audley es in letzter Zeit öfter bei seinem Freund bemerkt hatte, nickte George. Bereitwillig begleitete er Robert überall hin und tat alles, was man von ihm verlangte. Er empfand dabei offenbar keinerlei Freude und schien sich zu bemühen, selbige auch nicht aufkommen zu lassen.
    Schon mit der nächsten Post kam eine Antwort von ­Alicia Audley, worin sie bedauerte, dass die beiden jungen Männer leider nicht in Audley Court empfangen werden könnten.
    „Es gibt zwar siebzehn Gästezimmer“, schrieb die junge Dame in einer Handschrift, die deutlich erkennen ließ, wie aufgebracht sie war, „aber dennoch, mein ­lieber Robert, kannst du nicht kommen. Mylady hat es sich ­nämlich in ihren törichten Kopf gesetzt, dass sie zu ­leidend sei, um Besucher empfangen zu können, obwohl sie genauso wenig krank ist wie ich. Sie erträgt deshalb keine ­Gentlemen im Hause. Bitte entschuldige uns bei deinem Freund und sage ihm, dass Papa hofft, euch beide später doch noch zu sehen.“
    Robert lachte über die

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