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Das Geheimnis der Lady Audley - ein viktorianischer Krimi

Das Geheimnis der Lady Audley - ein viktorianischer Krimi

Titel: Das Geheimnis der Lady Audley - ein viktorianischer Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dryas Verlag
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letzte Nacht.“
    Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, um ihren Mann zu küssen. Lachend erzählte sie ihm, dass sie schon immer eine törichte, ängstliche Person gewesen sei. Sie habe Angst vor Hunden, Rindern, Gewitter und vor der rauen See.
    Was ihr Ehemann nicht wusste, war, dass Lady ­Audley bemerkt hatte, dass der Teppich in ihrem Ankleide­zimmer verschoben worden war. Da nur ihre Stieftochter im Haus gewesen war, hatte sie noch am Abend zuvor Alicia einer ­Befragung unterzogen. So hatte Mylady von dem unerwarteten ­Herrenbesuch in ihren Räumen und dem Geheimnis des verborgenen Ganges erfahren.
    „Und sie waren wirklich so dreist, mein ­Porträt anzusehen“, sagte sie ihrem Mann mit gespielter Entrüstung. „Ich fand das Friestuch auf dem Boden vor, und auf dem Teppich lag der Handschuh eines sehr ­großen Mannes.“ Sie hielt Georges Reithandschuh in die Höhe, den er hatte fallen lassen, als er das Porträt ­betrachtete. Sie lachte auf. Ein wenig zu schrill, wie Alicia fand, die schweigend am Tisch saß.

    Während der Baron seinen morgendlichen Rundgang machte und sich Lady Audley auf ihre eigene tändelnde Weise den Tag vertrieb, bummelten die beiden jungen Männer langsam am Ufer eines Baches entlang, bis sie endlich ein schattiges Plätzchen entdeckten. Hier war das Wasser tief und ruhig. Die Äste der Weiden hingen bis in den Bach hinein. George Talboys nahm die Angelrute, während sich Robert auf einer Reisedecke der Länge nach ausstreckte, seinen Hut als Schutz gegen die Sonne auf seine Nase drückte und alsbald eingeschlafen war.
    Als die Kirchenuhr zweimal schlug, warf George ­Talboys plötzlich die Angel zu Boden und entfernte sich mit schnellen Schritten vom Bach. Er ließ Robert ­Audley, in genüsslichen Schlaf vertieft, am Ufer zurück. Den ­Gewohnheiten dieses Gentlemans entsprechend würde dieser ganz gewiss zwei oder drei Stunden ­weitere ­Stunden dort liegen. Es blieb George also genug Zeit. Nach einer Viertelmeile überquerte er eine aus ­Baumästen ­gefertigte Brücke und schlug seinen Weg nach Audley Court ein.
    Der alte Landsitz hatte niemals einen friedlicheren Anblick geboten als an diesem Nachmittag, da George Talboys über den Rasen auf das Haus zuging, um die volltönende Glocke an der massiven, eisenbeschlagenen Eichentür zu betätigen. Der Diener, der auf sein Läuten hin erschien, teilte ihm mit, dass Sir Michael außer Hause sei und Mylady spazieren gehe. Bei dieser Nachricht sah Mr Talboys ein wenig enttäuscht aus und murmelte etwas in der Art, dass er Mylady suchen gehen wolle. Dann wandte er sich von der Haustür ab, ohne eine Karte oder Botschaft für die Familie zu hinterlassen.

    Anderthalb Stunden waren seit dieser Begebenheit ­vergangen, als Lady Audley schließlich zum Haus zurückkehrte.
    Alicia, die soeben von einem Ausritt zurückgekommen war, stieg gerade von ihrer Stute ab. Neben ihr ihr treuer Neufundländer, der bereits in der Eingangstür stand. Der Hund zeigte seine Zähne und ließ ein Knurren hören, als Lady Audley auf die Tür zutrat.
    „Schicken Sie sofort dieses schreckliche Tier weg, ­Alicia“, forderte Lady Audley ungehalten. „Dieses Vieh weiß genau, dass ich mich vor ihm fürchte.“ Sie eilte ­schützend hinter den Rücken ihrer Stieftochter und ­schüttelte ihre Locken, womit sie jedoch das Tier noch mehr heraus­forderte.
    Alicia ignorierte die Angst der Frau. „Wissen Sie, Lady Audley, dass Mr Talboys, der junge Witwer, hier gewesen ist und nach Sir Michael und Ihnen gefragt hat?“
    Lucy Audley zog die feingezeichneten Augenbrauen in die Höhe. „Ich war der Meinung, er komme zum Dinner“, murmelte sie und zwängte sich vorsichtig an dem Hund vorbei.

    Schnellen Schrittes eilte Mylady in ihre Räume. In ihrem Boudoir lag noch immer Georges Handschuh auf dem Tisch. Lady Audley klingelte heftig mit der Glocke, worauf Phoebe auch sogleich erschien.
    „Räume dieses Zeug weg!“, befahl sie mit scharfer Stimme. Das Mädchen sammelte den Handschuh, ein paar verwelkte Blüten und auf dem Tisch herumliegendes, ­zerrissenes Papier in ihre Schürze. „Was hast du den ­ganzen Morgen über getrieben?“, fragte Mylady. „Hoffentlich nicht deine Zeit vertrödelt!“
    „Nein, Mylady, ich habe das blaue Kleid geändert.“
    Im selben Moment blickte Lucy auf, und die Augen der beiden Frauen trafen sich. „Phoebe“, sagte Mylady ­daraufhin, wobei sie sich in einen Sessel sinken ließ. „Du bist ein braves, arbeitsames

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