Das Geheimnis der Lady Audley - ein viktorianischer Krimi
und hat gelegentlich, wenn das Geld knapp war, abgewetzte Stiefel getragen, aber er ist nicht unfreundlich behandelt worden. Nein, Sir, auch wenn Sie ihn eine Woche lang ausfragen würden, Sie würden gewiss nie hören, dass sein armer alter Großvater je ein barsches Wort zu ihm gesagt hätte.“
„Mr Maldon“, sagte Robert. „Ich betrachte es als meine Pflicht, den Jungen mitzunehmen. Ich werde ihn jedoch von hier aus direkt zur besten Schule in Southampton bringen. Und ich gebe Ihnen mein Ehrenwort, dass ich ihm in seiner unschuldigen Arglosigkeit nichts entlocken werde, das in irgendeiner Weise ...“ Er brach seinen Satz unvermittelt ab. „Ich werde nicht versuchen, durch ihn dem Geheimnis einen Schritt näher zu kommen.“
Der Alte nickte. „Nehmen Sie den Jungen mit hinaus, Mrs Plowson“, sagte Maldon nach einiger Zeit. „Nehmen Sie ihn mit hinaus und ziehen Sie ihm seinen Mantel an. Er begleitet Mr Audley.“
Während er diese Worte von sich gab, sickerten ihm die Tränen durch die schmutzigen Finger, hinter denen er seine blutunterlaufenen Augen verborgen hielt. „Gott ist mein Zeuge, ich habe Ihrem Freund niemals Schaden zugefügt, Sir“, fuhr er fort, nachdem Mrs Plowson und Georgey hinausgegangen waren. „Nie habe ich ihm etwas Schlechtes gewünscht. Er war mir ein guter Schwiegersohn, besser als so mancher Sohn. Ich habe ihm nie vorsätzlich geschadet, Sir. Ich ... ich habe möglicherweise sein Geld durchgebracht, aber das tut mir jetzt wirklich leid. Doch ich glaube nicht, dass er tot ist ... nein, Sir, nein, ich glaube es nicht!“
Kurz darauf kam Mrs Plowson mit dem kleinen Georgey zurück, der in Mantel und Schal gehüllt war. Robert nahm die Hand des Jungen. „Sag deinem Großpapa Lebewohl, Georgey.“
Der kleine Bursche sprang zu dem alten Mann, schmiegte sich an ihn und küsste die schmutzigen Tränen von den welken Wangen. „Du darfst meinetwegen nicht traurig sein, Großpapa“, sagte er. „Ich gehe nun zur Schule und lerne, ein kluger Mann zu sein. Und ich werde nach Hause kommen, um dich und Mrs Plowson zu besuchen.“
„Bringen Sie ihn weg, Sir, ... bringen Sie ihn weg!“, murmelte Mr Maldon. „Sie brechen mir das Herz!“
Kurz darauf trottete der kleine Bursche zufrieden an Roberts Seite davon. Er war sehr angetan von der Idee, in die Schule gehen zu dürfen.
Robert machte sich auf die Suche nach einer geeigneten Schule für Master Talboys. Dies war in einer Stadt wie Southampton zum Glück nicht sehr schwer. Man wies Robert Audley zu einem ansehnlichen Gebäude zwischen Bar und Avenue. Der Advokat schritt die High Street hinauf in Richtung Mr Marchmonts Akademie für junge Gentlemen. Er stieß beim Betreten des Hauses auf eine Reihe gesittet aussehender junger Gentlemen, die unter der Aufsicht einiger Hilfslehrer stadteinwärts marschierten.
Robert berichtete Mr Marchmont, dass der kleine George Talboys seiner Verantwortung übergeben worden war und dass der Vater des Kindes wahrscheinlich nicht mehr am Leben sei. Er empfahl den Jungen der besonderen Fürsorge des Leiters und bat darüber hinaus, dass keine Besucher zu dem Kind vorgelassen würden. Es sei denn, sie seien durch ein Schreiben von ihm dazu ermächtigt. Nachdem er diese Angelegenheit in einem kurzen sachlichen Gespräch zufriedenstellend erledigt hatte, kehrte er in das Hotel zurück, wo er Georgey in der Obhut eines freundlichen Kellners gelassen hatte.
Er traf das Kind im Hotel in bester Verfassung an, was ihn sehr erleichterte, denn er hatte von den Bedürfnissen eines Kindes ungefähr so viel Ahnung wie von denen eines weißen Elefanten.
So blickte Robert zweiundzwanzig Jahre in seinem eigenen Leben zurück und versuchte sich zu entsinnen, wie sein eigenes Abendessen im Alter von fünf Jahren ausgesehen haben mochte. Er glaubte sich deutlich an viel Brot, Milch und gekochtes Hammelfleisch zu erinnern.
„Ich nehme an, du bist hungrig, Georgey“, bemerkte er vorsichtig. Der Junge nickte. „Vielleicht hättest du gerne deinen Lunch“, tastete sich Mr Audley weiter vor.
Der Junge brach in Gelächter aus. „Lunch!“, rief er. „Aber es ist doch schon Nachmittag!“
Robert Audley hatte das Gefühl, so nicht weiterzukommen. „Du solltest etwas Milch und Brot zu dir nehmen, Georgey“, meinte er nach kurzer Überlegung. Er blickte zu dem Kellner, der in ihrer Nähe stand. „Kellner! Brot und Milch für Master Talboys und einen Pint trockenen Weißweins für
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