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Das Geheimnis der Lady Audley - ein viktorianischer Krimi

Das Geheimnis der Lady Audley - ein viktorianischer Krimi

Titel: Das Geheimnis der Lady Audley - ein viktorianischer Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dryas Verlag
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Kleidung etwas von den kalten Märzwinden mit. Es war Phoebe Marks, die blassgesichtige Frau des Wirtes von Mount Stanning. Sie wartete in der Nähe der Tür, bis man ihr gestattete, näher zu treten.
    „Entschuldigen Sie, Mylady, dass ich so ohne ­Weiteres hier eindringe“, sagte sie, „aber ich dachte, ich könnte es wagen heraufzukommen, ohne auf Ihre Erlaubnis zu ­warten.“
    „Natürlich, Phoebe. Komm hierher und setz dich.“ Lady Audley wies auf den Platz neben sich. Die Zofe hatte in früheren Tagen, als sie noch Myladys Gesellschafterin und Vertraute gewesen war, oft darauf Platz genommen und dem Geplauder ihrer Herrin gelauscht. „Setz dich und unterhalte dich mit mir, Phoebe. – Ich fühle mich furchtbar einsam in diesem Haus.“ Mylady ließ ihren Blick durch das luxuriös ausgestattete Zimmer wandern.
    Phoebe gehorchte der Aufforderung ihrer ­ehemaligen Herrin und nahm ihre Haube ab, bevor sie sich auf der Ottomane niederließ. „Ich hoffe, Sir Michael geht es ­besser?“, erkundigte sie sich artig.
    „Ja, viel besser. Er schläft“, sagte Lady Audley. „Ach, Phoebe, ich bin sehr, sehr unglücklich“, klagte Mylady wie ein Kind, „ganz entsetzlich niedergeschlagen.“
    „Wegen des Geheimnisses?“, fragte Mrs Marks fast ­flüsternd.
    Mylady nahm keine Notiz und fuhr in dem gleichen jammernden Ton fort, froh, sich ausweinen zu können. „Ich werde grausam verfolgt und gequält, Phoebe“, fuhr sie fort. „Ich werde gejagt und gemartert von einem Mann, dem ich niemals geschadet habe ...“ Wieder starrte sie in das Feuer, wie sie es auch in der vergangenen Stunde ihrer Einsamkeit getan hatte. Und erneut verlor sie sich in der dunklen Verworrenheit ihrer Gedanken, die in einem schrecklichen Chaos hin und her schossen.
    Besorgt beobachtete Phoebe Marks Myladys Gesicht. „Ich glaube, ich weiß, wen Sie meinen, Mylady. Es ist der Gentleman, der vor zwei Monaten zum Castle Inn kam, als ich Sie warnte ...“
    „Ja, ja“, erwiderte Mylady leise.
    „Dieser Gentleman ist heute Abend in unserem Wirtshaus, Mylady.“
    Lady Audley fuhr auf. Hastig sprang sie auf und begann in ihrem Boudoir auf und ab zu laufen. „Im Castle Inn?“, rief sie. „Ich hätte es mir denken können. Er ist nur dorthin gegangen, um deinem Mann meine Geheimnisse zu ­entlocken. Närrin!“ Wütend wandte sie sich zu Phoebe Marks, die sie mit erschrockenen Augen ansah. „Willst du mich vernichten, Phoebe Marks, dass du diese beiden Männer allein zurückgelassen hast?“
    Mrs Marks erschrak und fuhr zurück. „Ich bin nicht freiwillig gekommen, Mylady“, jammerte sie. „Niemand hätte unwilliger das Haus verlassen können. Luke hat mich hierher geschickt. – Sie wissen gar nicht, wie gemein er zu mir sein kann, wenn ich mich ihm entgegenstelle.“
    „Warum hat er dich geschickt?“ Unter Lady Audleys ärgerlichen Blicken senkten sich die Lider der Wirtsfrau.
    „Wirklich, Mylady“, stammelte sie, „ich wollte nicht kommen. Ich sagte zu Luke, dass es schändlich von uns sei, Sie wieder zu belästigen. Erst bitten wir um diese Gefälligkeit, dann um jene und lassen Sie nie einen Monat lang in Frieden. Aber ... aber er zwang mich zu gehen und hierher zu kommen.“
    „Ja, ja“, rief Mylady ungehalten. „Also, was will er?“
    „Luke ist völlig zügellos und ausschweifend. Er ist nie nüchtern. Wenn ich nicht wäre, dann wären wir schon ­früher ruiniert gewesen. – Erinnern Sie sich, dass Sie mir Geld für den Bierbrauer gegeben haben, Mylady?“
    „Ja, ich entsinne mich sehr gut“, entgegnete Lady ­Audley mit bitterem Lachen.
    „Luke hat ihn nicht bezahlt. Und er hat auch die ­Weihnachtspacht noch nicht bezahlt, obwohl Sie uns das Geld dafür gegeben haben. Alles muss nun bezahlt ­werden, und ... und heute Abend ist ein Gerichtsdiener im Haus, und wir sollen morgen durch einen erzwungenen Verkauf aus dem Haus getrieben werden. Es sei denn ...“
    „Es sei denn, ich bezahle ein weiteres Mal eure Schulden, nehme ich an!“, rief Lady Audley.
    „Wirklich, Mylady, ich hätte nicht darum gebeten“, schluchzte Phoebe Marks, „aber er zwang mich zu kommen.“
    „Ja“, antwortete Mylady verbittert, „und es wird nicht das letzte Mal sein. Doch wenn einmal meine Börse leer und mein Ruf ruiniert ist, dann werdet ihr beide die Ersten sein, die mich dem höchsten Bieter verkaufen.“
    „Oh, Mylady“, entgegnete Phoebe kläglich. „Seien Sie nicht hart zu mir. Sie wissen doch, dass nicht ich diejenige

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