Das Geheimnis der Mangrovenbucht
bunten Fäden eingesponnen. Aber dieses Thema interessiert mich nicht. Zu mühsam, denn diesen Vogel muß man ernst nehmen, ansonsten...«
»Sie wollen doch damit nicht sagen, daß Sie ihm glauben?«
»Mein liebes Mädchen; ich bin doch kein Halbidiot. Aber wie dem auch sei, er nimmt diese Angelegenheit todernst, und irgendwas hat er an sich. Er ist von seinen eigenen Fähigkeiten besessen und wäre äußerst böse, wenn er das Gefühl hätte, daß sich jemand über ihn lustig macht.«
»Wie konnte er nur so etwas behaupten — daß die Leiche in der Nähe des Wassers sei?«
»Er konnte es sicher nicht wissen, aber nachdem es in dieser Gegend verdammt viel Wasser gibt, hat das seine Geister vielleicht auf eine gute Idee gebracht.«
In diesem Augenblick kehrten die anderen zurück, und Mrs. Morton sagte: »Und jetzt trinken wir Tee. Dann muß ich Sie verlassen und zu diesem armen Mädchen gehen. Sie hat während der letzten beiden Tage kaum geschlafen und gegessen.«
Pauline sagte schnell: »Aber bitte, gehen Sie doch, ich mache den Tee schon. Die Arme muß ja entsetzlich unglücklich sein.«
»Leider muß ich sagen, daß sie daran schon gewöhnt ist. Holder war als Ehemann nicht besser als als Nachbar«, sagte Mrs. Morton grimmig; und Milward schüttelte seine Löwenmähne und sagte ernst: »Ein Mann, der weder zu Menschen noch zu Tieren gut war. Ein Spötter. Er wagte es, sich über meinen Okkultismus lustig zu machen und meine Fähigkeiten zu verhöhnen. Aber jetzt hat ihn Nemesis übernommen.«
Pauline blickte ihn sehr abweisend an, und Anthony mußte sich rasch abwenden, um ein Lächeln zu verbergen. Ada Mortons tiefblaue Augen nahmen plötzlich einen zwar unterdrückten, aber trotzdem merklich amüsierten Ausdruck an. Sie stand auf und sagte: »Sehr richtig. Wirklich schade, daß Gary Holder nicht wußte, daß Sie das alles sehen konnten. Hier ist Ihr Tee, Miss Marshall. Ich überlasse das Einschenken Ihnen und gehe jetzt.«
Doch in diesem Augenblick hörte man eilige Schritte auf der Veranda, und eine Stimme rief: »Mrs. Morton, Mrs. Morton. Sind Sie da?« Die Worte waren noch nicht verklungen, als bereits ein Mädchen ins Zimmer stürzte und verwirrt um sich blickte wie ein verängstigtes scheues Tier. Pauline dachte an den Vergleich mit einem verschreckten Vogel. Dieser Gedanke war ihr gekommen, noch bevor sie aufspringen und erstaunt ausrufen konnte: »Verity? Bist du es wirklich?«
Das Mädchen drehte sich eilig herum, und ihre Überraschung belebte ihr Gesicht für ein paar Sekunden. »Aber Pauline . . Pauline... was hat denn dich hierhergebracht? Hat dich David geschickt?«
Sie hätte diese Worte am liebsten wieder zurückgenommen. Pauline, die gegen eine innere Angst ankämpfen wollte, die sie sich nicht eingestand, schüttelte nur den Kopf.
»Niemand hat mich geschickt«, sagte sie langsam. »Ich bin nur ganz einfach zu Davids Häuschen gefahren. Wußtest du, daß er...?« Dann unterbrach sie sich und schwieg. Natürlich wußte Verity, daß David so oft in ihrer Nähe weilte. Und war das der Grund, warum...
Bevor sie diesen schrecklichen Verdacht bannen konnte, wurde Pauline unterbrochen. Ada Morton ging hastig zu dem Mädchen hin, nahm es in ihre kräftigen Arme und sagte sehr lieb und sanft: »Das spielt jetzt alles keine Rolle. Verity, wir haben endlich Nachricht; aber es ist eine schlechte Nachricht. Mr. Milward hat recht gehabt.«
Verity Holder machte sich langsam und sanft von dem sie stützenden Arm frei, drehte ihr Gesicht ihrer Freundin zu und sagte: »Sie — Sie wollen damit sagen, daß er tot ist?«
Ihre Selbstbeherrschung war beinahe erschreckend. Pauline starrte sie verwirrt an. Keine Tränen. Kein Zeichen eines Zusammenbruchs. Keinerlei Gefühlsregung. Nichts, außer den ruhigen Worten: >Sie wollen damit sagen, daß er tot ist.< Andererseits hatte Verity dies vermutlich schon seit Tagen angenommen; nach dieser Aufregung war dies wahrscheinlich sogar eine Erleichterung.
Pauline überlegte: Erleichterung? Natürlich. Erleichterung darüber, daß er tot war. Was muß das für ein Mensch gewesen sein, bei dessen Todesnachricht niemand — weder der Schiffer noch Milward, noch Ada Morton und nicht einmal seine eigene Frau — ein Gefühl von Mitleid oder Traurigkeit empfand?
Einen Augenblick lang herrschte Schweigen. Pauline ertappte sich dabei, wie sie das reizvolle Gesicht dieses Mädchens, mit dem sie jahrelang befreundet gewesen war und von dem sie vermutet hatte, daß sie
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