Das Geheimnis der Maori-Frau (German Edition)
geschlossen, und auch wenn er seine Gefühle für sie nicht in Worte fassen konnte, gingen sie weit über das hinaus, was man im Allgemeinen als Freundschaft bezeichnete. Manchmal ertappte er sich sogar bei dem Gedanken, wie es wohl wäre, ihr Vater zu sein. Dabei war für ihn früher, als er nochmit Helen zusammen gewesen war, schon der Gedanke an eine Heirat ein rotes Tuch gewesen. Dass er sich nun plötzlich vorstellen konnte, eine Familie zu gründen, erstaunte ihn selbst.
Doch als Ehefrau kam für ihn nur eine Einzige infrage: Shelly.
»Der Wallach kann uns problemlos beide tragen. Du setzt dich einfach hinter mich und hältst dich an mir fest, einverstanden?«
Wirklich begeistert wirkte Shelly von seinem Vorschlag nicht, doch sie nickte. Und als Josh kurz darauf mit dem gesattelten Pferd aus dem Stall trat, wirkte sie zwar etwas blass um die Nase, ließ sich aber ohne Protest von ihm beim Aufsteigen helfen. Mit einem Anflug von schlechtem Gewissen genoss er für einen Augenblick das Gefühl, sie so dicht hinter sich zu spüren, und sein Puls beschleunigte sich.
»Hiijaaah!«, rief er und trieb den Wallach zum Laufen an, in der Hoffnung, es würde ihn von Shellys Nähe ablenken. Doch kaum, dass sich das Pferd in Bewegung gesetzt hatte, klammerte sie sich so fest an ihn, dass er ihre herrlich weichen Brüste an seinem Rücken spüren konnte. Sein Blut kochte, und er musste sich zwingen, sich auf seine eigentliche Aufgabe zu konzentrieren: Will zu suchen und zu finden.
Kim ritt auf Firefly voraus. Immer wieder rief sie laut den Namen ihres Bruders, doch eine Antwort erhielt sie nicht, ebenso wenig wie Shelly, die mit jeder verstreichenden Minute verzweifelter wirkte.
»Wenn ihm bloß nichts passiert ist«, murmelte sie. »Lieber Gott, mach, dass es ihm gut geht!«
Auch Joshs Sorge wuchs, doch er hielt es für besser, Shelly und ihre Tochter nicht damit zu belasten. Nichtsdestotrotz glaubte er inzwischen nicht mehr daran, dass der Junge sicheinfach nur irgendwo versteckt hielt. Spätestens nach dem Beben musste ihm schließlich klar sein, dass seine Familie sich schreckliche Sorgen um ihn machte. Und Josh schätzte Will nicht so ein, dass er seine Mutter und seine Schwester absichtlich im Dunkeln tappen ließ.
Es gab also nur eine Erklärung: Will war nicht heimgekehrt, weil etwas ihn daran gehindert hatte.
Weil ihm etwas zugestoßen war.
Das Beben war zwar nicht allzu heftig gewesen, doch wenn man sich zur falschen Zeit am falschen Ort aufhielt, konnte es trotzdem gefährlich werden. Es konnten sich Spalten im Boden auftun, Scheunen zusammenbrechen oder …
»Hey! Hey, kommt mal hier rüber! Schaut, was ich gefunden habe!« Kims aufgeregtes Rufen unterbrach Joshs Gedankengänge. Mit sanftem Druck seiner Knie trieb er den Wallach zur Eile an. Kurz darauf erreichten sie Kim, die bereits von Fireflys Rücken gestiegen war und neben einem auf dem Boden liegenden Fahrrad kniete. Oder vielmehr neben den Überresten des Rads, denn es sah ziemlich ramponiert aus.
»Aber das ist ja …« Ohne auf seine Hilfe zu warten, sprang Shelly vom Pferd und landete unsicher, aber wohlbehalten auf beiden Füßen. Nachdem sie das Rad einer genauen Prüfung unterzogen hatte, schaute sie zu Josh auf. Eine Mischung aus Angst und Hoffnung spiegelte sich in ihren wunderbaren blauvioletten Augen. »Ja, das ist Wills Fahrrad! Emily hat es ihm geschenkt, nachdem er es im Lagerschuppen gefunden hatte. Es gehörte wohl einem Neffen von ihr, für den es zu klein geworden war.«
»Aber wo ist Will?« Ängstlich schaute Kim zwischen ihrer Mutter und Josh hin und her. »Wenn das Fahrrad hier ist, kann er doch auch nicht weit sein. Er hätte es niemals einfach so hier liegen lassen, kaputt hin oder her. Wo steckt er bloß?«
Das fragte sich auch Josh und blickte sich suchend um. Dabei bemerkte er nur ein paar Meter entfernt frische Erde und Geröll. Er runzelte die Stirn.
»Was ist los?«, wollte Shelly wissen, die seine Reaktion sofort bemerkt hatte. »Hast du irgendetwas entdeckt?«
»Hier ist vor Kurzem eine Gerölllawine niedergegangen«, erklärte Josh. »Das muss nichts heißen, aber …«
Entsetzt schlug Shelly eine Hand vor den Mund. »O Gott, Will!« Sie lief zu der Stelle, auf die Josh gezeigt hatte, und fing an, mit bloßen Händen Erde und Gestein abzutragen.
Fluchend eilte Josh ihr nach. Er glaubte nicht, dass der Junge unter dem Geröllhaufen begraben lag. Will war viel zu clever, als dass er sich leichtfertig in
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