Das Geheimnis der Maori-Frau (German Edition)
hatte, war sie schließlich aufgestanden und hinuntergegangen.
Vielleicht war es ja sogar ganz gut, wenn sie ein bisschen allein war. Es gab so viele Dinge, über die sie nachdenken musste.
Wichtige Dinge. Zum Beispiel die Frage, wie sie sich ihre Zukunft in Aorakau Valley nun vorstellte.
Obwohl sie inzwischen mit ihren Aufgaben auf der Farm ziemlich gut zurechtkam, spürte sie doch eines mehr als deutlich: Sie war nicht zur Schafzüchterin geboren und konnte sich ein Leben als Landwirtin auf Dauer auch nicht vorstellen. Dahingegen hatte sie einmal mehr festgestellt, wie viel Freude ihr die Arbeit mit Tieren bereitete. Zuerst bei der schwierigen Geburt von Kims Fohlen Firefly, später bei der Versorgung der Schafe von Don Wolvesley. Und auch auf der Farm hatte die Pflege der Tiere – Schafe und Pferde gleichermaßen – ihr am meisten am Herzen gelegen. Dinge wie das Decken der Mutterschafe durch die Zuchtwidder, das Ablammen und später die Schur hatte sie lieber Lenny, Hal und den anderen Männern überlassen.
Seufzend wippte sie im Schaukelstuhl vor und zurück, während sie dem Gesang der Weta – bis zu zehn Zentimeter große Langfühler-Schrecken, die auf den Farmen nicht gern gesehen wurden, weil sie sich so rasch vermehrten – lauschte.
Sie zweifelte inzwischen nicht mehr daran, dass sie und ihre Kinder in diesem Land ihr Zuhause gefunden hatten. Seit sie hier lebten, standen sie einander so nahe wie nie zuvor.
Und dann war da auch noch Josh …
Will und Kim liebten ihn. Für sie war er von einem gutenFreund zu so etwas wie einem Vaterersatz geworden. Und Shelly konnte gut verstehen, warum sie ausgerechnet ihn dafür ausgesucht hatten. Anders als seine Mutter war Josh liebevoll, loyal und herzlich. Und wenn sie recht darüber nachdachte, hatte er ihr eigentlich nie Anlass gegeben, an seiner Ehrlichkeit zu zweifeln.
Selbst die Frage, ob er immer noch an ihrer Farm interessiert war, hatte er wahrheitsgemäß beantwortet. Inzwischen schämte sie sich fast ein wenig dafür, dass sie so wütend und enttäuscht darauf reagiert hatte. Wäre es ihr lieber gewesen, er hätte das Offensichtliche abgestritten und sie belogen?
Er hatte sich ihr Vertrauen redlich verdient. Und außerdem war Shelly diese ewigen Machtkämpfe langsam leid. Sie wollte in Frieden mit ihren Kindern hier im Tal leben. Doch das ging nur, wenn Geraldine Wood sie endlich in Ruhe ließ.
Vielleicht war es nun endlich an der Zeit, das Kriegsbeil nach fünfzig Jahren voller Hass und Unfrieden zu begraben. Weder sie noch Josh kannten den Grund für die alte Feindschaft, die nun schon lange zwischen ihren Familie schwelte. Josh hatte einmal gemeint, sein Großvater Callum wüsste bestimmt Bescheid, doch der lebte zurückgezogen in seinem Altersruhesitz, einem Strandhaus nahe Auckland. Doch das lag ganz im Norden der Nordinsel, sodass er ihn nicht einfach mal kurz besuchen konnte, und am Telefon wollte er ihn nicht danach fragen.
Shelly nahm an, dass es etwas mit dem Zugang zu der Wasserstelle auf ihrem Land zu tun hatte, der für Emerald Downs auf Dauer überlebenswichtig war. Wenn das stimmte, dann musste es doch einen Weg geben, sich auf eine gemeinsame Nutzung zu verständigen.
Sie dachte sogar noch weiter: Doc Halligan, der Tierarztvon Aorakau Valley, hatte das Rentenalter längst erreicht und machte nur deshalb weiter, weil sich bisher kein Nachfolger für seine Praxis gefunden hatte. Was, wenn Shelly wieder als Tierärztin arbeitete und die Belange der Farm in Joshs vertrauenswürdige Hände übergab?
Fest stand, dass Hal und Lenny McMahon sicher nicht begeistert auf diesen Vorschlag reagieren würden. Besonders der junge McMahon begegnete Josh immer wieder mit offener Feindseligkeit, während Hal ihm einfach nur aus dem Weg zu gehen schien. Nun, die beiden würden sich schon damit abfinden – zumindest hoffte sie das sehr.
Aber konnte sie das wirklich, wieder als Tierärztin arbeiten? Als sie Kalifornien verlassen hatte, hatte sie sich geschworen, alles hinter sich zu lassen, was sie an ihre Vergangenheit erinnerte. Und dazu gehörte nun mal auch ihr Beruf.
Inzwischen aber war sie mehr und mehr davon überzeugt, damit einen Fehler begangen zu haben. Sie liebte ihre Arbeit, und wer sagte, dass man alles aufgeben musste, nur um mit der Vergangenheit abzuschließen?
Ein Entschluss reifte in ihr heran, und jetzt, wo sie wusste, was sie tun würde, fühlte sie, wie bleierne Müdigkeit von ihr Besitz ergriff. Sie schaffte es
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