Das Geheimnis der Maori-Frau (German Edition)
konnte er nicht. Sie würden wiederkommen und ihn ins Gefängnis stecken! So wie seinen Dad! Natürlich würde seine Mom niemals glauben, dass er mit den Feuern etwas zu tun hatte. Aber er wollte auch nicht, dass sie seinetwegen noch mehr Schwierigkeiten bekam. Sie hatte auch so schon genug um die Ohren.
Nein, sagte Will zu sich selbst. Ab jetzt muss ich mich allein durchschlagen. Und das schaffe ich, schließlich bin ich kein kleines Kind mehr!
Doch im Grunde wusste er selbst, dass er nur versuchte, sich Mut zu machen. In Wahrheit hatte er Angst. Große Angst.
Als er spürte, wie die Tränen über seine Wangen liefen, wischte er sie hastig fort. Jungs weinen nicht, hatte sein Dad ihn immer ermahnt.
Er kletterte den Hügel hinunter, wo sein Fahrrad lag.
Durch den Sturz hatte es jetzt nicht nur einen Platten, sondern war auch noch völlig verbogen. Ärgerlich trat er mit dem Fuß dagegen. Das bedeutete dann wohl, dass er zu Fuß weitermusste.
Weiter – aber wohin?
Erst mal bis zum Waldrand, beantwortete er sich seine bange Frage selbst. Dort würde er schon irgendwo einen Unterschlupf finden, in dem er die Nacht verbringen konnte. Sehnsüchtig dachte er an sein weiches Bett und die warme Decke, schüttelte dann aber den Kopf, um das Bild zu verscheuchen.
Hör auf, dich selbst zu bemitleiden, Makepeace! Wenn du später als Feuerwehrmann im Einsatz bist, wirst du auch nicht immer zu Hause im Bett schlafen können!
Von neuem Mut erfüllt, drehte er sich um und wollte gerade wieder den Hügel hinaufsteigen, als ihm etwas auffiel. Er hielt inne. War das nicht … Ja, es sah aus wie der Eingang zu einer Höhle. Auf den ersten Blick hatte er den überwucherten Zugang gar nicht bemerkt. Das musste er sich näher ansehen! Vielleicht konnte er hier die Nacht verbringen. Zumindest hätte er auf diese Weise eine Art Dach über dem Kopf.
Will befreite den Zugang von Gestrüpp und trat in das dämmrige Halbdunkel. Er hatte Glück: Die Höhle erwies sich als ziemlich geräumig und trocken. Nachdem er draußen Holz gesammelt hatte, begann er eine halbe Stunde später damit, es im hinteren Bereich der Höhle, wo es eine Art natürlichen Luftabzug zu geben schien, zu einem Lagerfeuer aufzuschichten. Auf diese Weise musste er heute Nacht wenigstens nicht frieren. Was den Hunger betraf, würde ihm das Feuer jedoch nicht helfen. In der ganzen Umgebung schien es nichts Essbares zu geben. Von ein paar Schafen, die in derNähe friedlich grasten, mal abgesehen, doch selbst wenn er kurz vorm Verhungern gestanden hätte, wäre er nicht in der Lage gewesen, den Tieren etwas anzutun.
Heute Nacht würde er also wohl mit knurrendem Magen schlafen gehen müssen.
Da er weder ein Feuerzeug noch Streichhölzer bei sich hatte, versuchte er, das Feuer so zu entfachen, wie er es in einem Buch gelesen hatte: Er rieb zwei Stöcke kräftig aneinander, um auf diese Weise Funken zu erzeugen und das trockene Gestrüpp, das er zum Anfeuern gesammelt hatte, zu entzünden.
Es dauerte eine ganze Weile, doch schließlich hatte er es geschafft. Für ein paar Minuten war er so auf seine Aufgabe konzentriert, dass seine Sorgen, Ängste und Probleme von ihm abgefallen waren.
Zufrieden betrachtete er sein Werk, als er ein leichtes Vibrieren unter seinen Füßen bemerkte.
Irritiert runzelte er die Stirn. Was war das? Das Vibrieren wurde stärker und steigerte sich zu einem Rumpeln.
Da wurde Will klar, dass es sich um ein Beben handeln musste. Er kannte das von seiner alten Heimat. In Kalifornien waren Erdbeben keine Seltenheit; manchmal handelte es ich nur um kleine, harmlose Erschütterungen, die man nach ein paar Minuten schon wieder vergessen hatte. Aber es gab auch die großen, katastrophalen Beben, die in den Köpfen der Menschen hängen blieben und für die die Kinder in Kalifornien schon in Kindergärten und Schulen mit Notfallregeln vertraut gemacht wurden.
Und genau an diese Regeln musste Will unwillkürlich denken, als der Boden immer heftiger zu wanken begann.
Nichts wie raus hier!
Draußen auf der Ebene würde er sich selbst bei einem stärkerenBeben in relativer Sicherheit befinden. In einer Höhle hingegen, über deren Decke sich mehrere Tonnen Gestein auftürmten …
Er ließ alles stehen und liegen und lief auf den Höhlenausgang zu, doch er kam nur schlecht voran. Es fühlte sich an, als würde er auf dem Rücken eines bockenden Pferdes stehen. Panik stieg in ihm auf, als ihm klar wurde, dass es sich hier nicht nur um einen harmlosen
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