Das Geheimnis der Maori-Frau (German Edition)
glauben, wie die Dinge sich entwickelt hatten. Josh übernachtete seit der Aufregung um Will, der seinen unfreiwilligen Ausflug in die Unterwelt Neuseelands ohne einen Kratzer überstanden hatte, bei ihr auf der Farm – und niemand schien sich daran zu stören. Die Kinder akzeptierten ihn und behandelten ihn wie einen Freund, um nicht zu sagen wie einen Ziehvater. Fast fühlte es sich an, als seien sie alle zu einer großen Familie zusammengewachsen.
Nur Geraldine schien von dieser Entwicklung nicht unbedingt begeistert zu sein, nach allem, was Shelly von Josh hörte.
Für Shelly war das natürlich keine Überraschung. Und sie hatte auch nichts dagegen, dass Josh es als selbstverständlich ansah, seinen Verpflichtungen auf Emerald Downs weiterhin nachzukommen. Im Gegenteil: Sie war sogar froh darüber, denn sie hatte die Hoffnung noch immer nicht aufgegeben: Irgendwann musste doch auch Joshs Muttereinsehen, dass es an der Zeit war, die alten Feindseligkeiten zu beenden – selbst wenn es im Moment weiß Gott nicht danach aussah.
Nun, vielleicht würde Shellys Idee einer friedlichen Koexistenz dazu beitragen, Geraldine zu überzeugen. Vermutlich würde sie anfangs nur zähneknirschend einwilligen, doch selbst ihr musste klar sein, dass sie auf anderem Wege wohl kaum das so dringend benötigte Nutzungsrecht für die Wasserstelle auf Shellys Land bekommen würde.
Bisher hatte Shelly weder mit Josh noch mit seiner Mutter darüber gesprochen. Es mochte albern sein, doch sie wollte sich zunächst den Segen von Hal und Lenny McMahon holen – und Hal war, wie so oft in letzter Zeit, mal wieder spurlos verschwunden. Lenny hingegen hatte sich, völlig entgegen Shellys Erwartung, erfreulich positiv geäußert. Überhaupt schien er seine feindselige Haltung Josh gegenüber abgelegt zu haben. Nun wartete Shelly nur noch darauf, dass Hal zurückkehrte; seine unangekündigten Ausflüge dauerten normalerweise nicht länger als achtundvierzig Stunden, doch inzwischen war er schon fünf Tage fort.
»Wenn du auf mich wartest, könnten wir nachher zusammen in die Stadt fahren, um die Einkäufe zu erledigen«, schlug Josh vor und riss sie damit aus ihren Gedanken.
»Das ist lieb gemeint, aber nicht nötig«, entgegnete Shelly. »Emily und ich schaffen das schon, und für dich ist in den letzten Tagen sicherlich einiges an Arbeit liegen geblieben. Ich will deiner Mutter keine zusätzliche Angriffsfläche bieten, indem ich dich von deinen Aufgaben auf Emerald Downs abhalte.«
Kurz nachdem Josh gegangen war, machten sich auch Will und seine Schwester auf den Schulweg. Zusammen mit Emily ging Shelly noch einmal in Ruhe die Einkaufsliste durch, wobeidie ältere Frau immer wieder mit einem versonnenen Lächeln den Kopf schüttelte.
»Was ist so komisch?«, fragte Shelly, der das seltsame Verhalten ihrer mütterlichen Freundin nicht entging, und runzelte die Stirn.
»Ach, nichts weiter«, entgegnete Emily noch immer lächelnd. »Ich stelle nur gerade verwundert fest, dass die Dinge nun doch endlich einen guten Verlauf zu nehmen scheinen.«
»Wenn nur die Gerüchte wegen Will nicht wären …«
»Das dumme Geschwätz gelangweilter Klatschtanten nehmen Sie doch wohl nicht ernst, oder? Jedem, der über ein bisschen gesunden Menschenverstand verfügt, müssen Joshs Argumente eingeleuchtet haben.« Emily schnaubte empört. »Ich begreife immer noch nicht, was Chief Hawthorne sich dabei gedacht hat, den Jungen überhaupt zu verdächtigen. Will kam doch mit Ihnen erst lange nach den ersten Feuern nach Neuseeland! Nein, nein, machen Sie sich da mal keine Sorgen, Shelly. Niemand kann ernsthaft glauben, dass Ihr Junge der Brandstifter ist. Aber nun zu etwas anderem.« Sie zwinkerte ihr zu. »Er macht Sie glücklich, nicht wahr?«
Shelly spürte, wie ihre Wangen heiß wurden. Sie musste gar nicht fragen, von wem Emily da sprach. Und außerdem war es vergebene Liebesmüh, ihr etwas vormachen zu wollen. »Ich hätte es nicht für möglich gehalten, aber ich glaube, das zwischen Josh und mir …« Sie zuckte mit den Schultern, weil ihr die richtigen Worte nicht einfallen wollen. »Nun ja, es könnte funktionieren«, sagte sie schließlich.
Emily lachte leise. »Ja, das denke ich auch. Und auch wenn es mich vielleicht nichts angeht: Ich finde, Sie haben es verdient, Shelly. Nach allem, was Sie und Ihre Familie durchgemacht haben, war es an der Zeit, dass die Sonne auch für Sie endlich wieder scheint.«
Nur mühsam gelang es Shelly, die
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