Das Geheimnis der Maori-Frau (German Edition)
Einwand der älteren Frau mit einer hastigen Handbewegung weg. »So, und jetzt möchte ich endlich ins Bett. Wie Sie sich vorstellen können, war mein Tag sehr lang. Wirklich sehr, sehr lang.«
Das stimmte natürlich. Allerdings bezweifelte sie ernsthaft, dass sie trotz ihrer Müdigkeit auch nur eine Sekunde Schlaf finden würde, so aufgedreht, wie sie nach der Begegnung mit Josh Wood fühlte. Aber vielleicht war das auch besser so – denn sie fürchtete, dass sich ein ganz bestimmtes Gesicht mit wachen graublauen Augen bis in ihre Träume schleichen könnte.
Josh ließ die Bombe am nächsten Morgen beim Frühstück platzen.
»Ich hatte gestern Abend auf meiner Kontrollrunde übrigens das zweifelhafte Vergnügen, unsere neue Nachbarin kennenzulernen«, sagte er, während er einen Toast mit Butter bestrich.
Mit einem Mal war es im Speiseraum von Emerald Downs so still, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören können, und er spürte, dass alle Blicke auf ihm ruhten.
Es war Helen, die die Stille schließlich brach. Sie hatte sichselbst bei Josh zum Frühstück eingeladen, was häufiger vorkam.«
»Neue Nachbarin?«, fragte sie interessiert. »Ich wusste gar nicht, dass in letzter Zeit jemand hier zugezogen ist. Sag bloß, der alte Reardon hat endlich eine Frau für seinen Ältesten gefunden!«
Als einziges Nichtfamilienmitglied am Tisch erkannte lediglich sie nicht, dass die Rede nur von der neuen Besitzerin der Makepeace-Farm sein konnte.
»Es ist die Erbin vom alten Makepeace«, erklärte er. »Wie es aussieht, hat sie sich bei Emily Jenkins auf der Farm einquartiert. Ich weiß nicht, was sie jetzt plant, aber in einem Punkt hat sie sich mehr als deutlich ausgedrückt: Sie will auf keinen Fall an jemanden von uns verkaufen. Ich glaube, ihre genauen Worte lauteten, dass sie vorher lieber selbst auf Schaffarmerin umsatteln wolle.«
»Wie bitte?« Auf der Stirn seiner Mutter hatte sich eine steile v-förmige Falte gebildet. »Das kann ja wohl nicht wahr sein! Was denkt dieses unverschämte kleine Flittchen eigentlich, mit wem sie es zu tun hat?« Sie kniff die Augen zusammen. »Aber warum wundere ich mich eigentlich? Die Makepeace waren doch schon immer ein Haufen Aufrührer und Unruhestifter! Wäre damals einfach kurzer Prozess mit Ben gemacht worden, anstatt ihn mit seinen Eltern aus dem Land flüchten zu lassen, dann würden wir jetzt nicht in diesen Schwierigkeiten stecken. Früher hätte man einen Verbrecher wie ihn einfach wie einen räudigen Hund erschossen, aber …«
»Mutter, bitte!« Maggie war plötzlich ganz blass geworden.
Auch für Josh war die Heftigkeit, die seine Mutter an den Tag legte, überraschend. Und fast gegen seinen Willen verspürte er den Drang, Shelly vor ihr zu verteidigen. Er hattenie verstanden, woher diese tiefe Feindschaft zwischen seiner Familie und den Makepeaces rührte. Seine Mutter machte immer nur Andeutungen, die alles in einem noch mysteriösen Licht erscheinen ließen. Er selbst kannte nur die offizielle Geschichte, die besagte, dass ein tragischer Todesfall vor vielen Jahren die einst befreundeten Familien entzweit hatte.
»Findest du nicht, dass du ein wenig übers Ziel hinausschießt, Mutter?«, fragte er. »Außerdem kennst du Shelly doch überhaupt nicht. Du …«
»Shelly?« Geraldine sah ihn skeptisch an. »Das ist ja höchst interessant – auch für dich, meine liebe Helen, oder etwa nicht? Aber du hast anscheinend unsere kleine Abmachung vergessen, mein Sohn. Wenn die kleine Makepeace, wie sie sagt, auf keinen Fall an uns verkaufen will, dann kannst du deine großen Pläne, die du mit ihrem Land hast, ebenfalls vergessen.«
Josh wusste natürlich, dass sie recht hatte – und es war vermutlich dumm, überhaupt für Shelly Makepeace Partei zu ergreifen. Er kannte sie doch überhaupt nicht, ja, sie war ihm nicht einmal sonderlich sympathisch. Und doch … Aus irgendeinem Grund konnte er einfach nicht aufhören, an sie zu denken. Er sah ihr Gesicht vor sich, jedes Mal, wenn er die Lider schloss. Das seidige, rotgoldene Haar, das er am liebsten berühren wollte, die weichen, sanft geschwungenen Lippen … Doch es waren vor allem ihre Augen, die er einfach nicht vergessen konnte. Im Mondschein hatten sie veilchenblau geglitzert und …
Schluss jetzt!, rief er sich selbst zur Ordnung. Er hatte ein Ziel, auf das er sich konzentrieren musste. Seine Mutter hatte recht, er durfte nicht vergessen, um was es hier ging. Es gab überhaupt nur einen einzigen
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