Das Geheimnis der Maori-Frau (German Edition)
wenn sie bei der Arbeitsvermittlung vorsprach, die gleiche Antwort. Und inzwischen zweifelte sie nicht mehr daran, dass für ihre Misere ein ganz anderes Problem verantwortlich war.
Und dieses Problem hatte einen Namen: Geraldine Wood. Wie Emily es ihr bereits prophezeit hatte, machte Geraldine ihr das Leben schwer, wo immer sie konnte. Nur mit Mühe und Not war es Shelly gelungen, einen Platz an der örtlichen Schule für ihre Kinder zu bekommen. Angeblich, weil es keine freien Kapazitäten gab – und das, obwohl Wills Klasse gerade einmal von zwölf Kindern besucht wurde. Das war weniger als die Hälfte von dem, was in L. A. üblich war. Trotzdem hatte Shelly erst persönlich bei der Schuldirektorin mit der Faust auf den Tisch schlagen und mit dem Schulamt drohen müssen, ehe etwas in Bewegung gekommen war.
Inzwischen drückten ihre Kinder seit etwas mehr als zwei Wochen wieder die Schulbank – Will in der 5. Klasse der Primary School, Kim im 2. Jahr der Secondary School. Es war ein ordentlicher Kampf gewesen, bis es so weit gekommen war, und Shelly wusste, es würde nicht der letzte gewesen sein. Aber komme, was wolle – eines stand für sie fest: Sie würde sich von dieser Frau nicht unterkriegen lassen, niemals! Geraldine Wood ahnte nicht, dass sie mit ihren Versuchen, ihr Steine in den Weg zu legen, ihren Widerstand nur vergrößerte.
Doch sie musste sich beeilen, denn es war wichtig, dass schon sehr bald etwas geschah. Heute hatte Kims Klassenlehrerin Miss Campbell angerufen, um Shelly mitzuteilen, dass ihre Tochter schon zu dritten Mal einfach nicht zum Unterricht erschienen war. Der Himmel mochte wissen, was sie in der Zeit anstellte, die sie eigentlich in der Schule verbringensollte. Vermutlich hockte sie einfach irgendwo herum und schrieb ihren Freunden in L. A. eine SMS nach der anderen.
Das war auch noch so ein Problem. Von Miss Campbell wusste Shelly, dass Kim bisher keinen Anschluss bei ihren Mitschülern gefunden hatte. Und das war auch kein Wunder. Immerhin ließ sie keine Gelegenheit aus, zum Ausdruck zu bringen, wie schrecklich sie es in Neuseeland fand. Es verging kein Tag, an dem sie nicht alle möglichen Leute wissen ließ, wie viel besser ihr Leben in Kalifornien gewesen war.
Mehrfach hatte Shelly versucht, mit ihr darüber zu reden, und sie hatte sich dabei wirklich Mühe gegeben. Doch Kim zuckte immer nur mit den Schultern und erwiderte, dass sie ohnehin kein Interesse daran habe, sich mit »den Dorftrotteln aus Aorakau« anzufreunden.
So langsam wusste sich Shelly wirklich keinen Rat mehr. Sie musste sich unbedingt wieder intensiver um Kim kümmern – aber wie sollte das funktionieren, wo sie praktisch jede wache Minute ihres Tages damit verbrachte, die Farm ihres Großvaters wieder auf Vordermann zu bringen?
Sie ließ ihren Wagen vor dem Büro der Jobvermittlung stehen und betrat das Cora’s , eine Bar, die sich genau auf der gegenüberliegenden Straßenseite befand. Die Besitzerin – vermutlich die Namensgeberin des Lokals – war eine ältere Frau, die ihre rotblonden Locken zu einem Pferdeschwanz gebändigt hatte.
Sie blickte nicht einmal auf, als sie die Tür zufallen hörte.
»Was kann ich für Sie tun, Miss?«
»Ich hätte gern einen Kaffee«, erwiderte Shelly und setzte sich auf einen freien Platz an der Theke. Abgesehen von einem älteren Mann in Arbeitslatzhose, der ein Kreuzworträtsel löste und sich immer wieder mit der Rückseite seines Bleistifts die fast kahle Stirn kratzte, hielt sich nur noch einweiterer Gast in der Bar auf. Der Junge sah nicht viel älter aus als Kimberly, wirkte aber nicht so, als würde er einen großen Teil seiner Zeit in Klassenräumen und hinter Schulbüchern verbringen. Seine Haut war tief gebräunt; das helle, für Shellys Empfinden ein bisschen zu lange Haar war von der Sonne gebleicht. Das verwaschene Shirt spannte sich über einer breiten Brust, und um einen der muskulösen Oberarme rankte sich eine kunstvolle Tätowierung.
»Hier, Ihr Kaffee, Ma’am.«
Klirrend stellte Cora die Tasse auf dem Tresen ab. Dann wandte sie sich gleich wieder ihrer Zeitung zu.
Shelly räusperte sich. »Entschuldigung, dürfte ich Sie vielleicht etwas fragen?«
Bedächtig faltete die ältere Frau ihre Zeitung zusammen, ehe sie aufblickte. »Ja, bitte?«
»Ich bin auf der Suche nach Arbeitern, die mir bei der Renovierung der Farm helfen, die ich von meinem Großvater geerbt habe.« Sie streckte über die Theke hinweg die Hand aus. »Mein Name
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