Das Geheimnis der Maori-Frau (German Edition)
höchste Zeit. Und jetzt gehen Sie schon, ich schaff ’ das hier auch allein.«
»Meinen Sie wirklich?« Zuerst war Shelly nicht besonders überzeugt, doch je länger sie darüber nachdachte, umso besser erschien ihr Emilys Idee. »Also gut.« Sie zog sich die Küchenschürze über den Kopf und atmete tief durch. Dann verließ sie die Küche, eilte die Treppe ins Obergeschoss hinauf und ging den Korridor nach links bis ganz zum Ende durch. Als sie vor der Tür stand, klopfte sie an, denn es kam ihr nicht in den Sinn, einfach so ins Zimmer ihrer Tochter zu platzen. Doch als Kim sich nicht rührte, drückte sie dann doch die Klinke hinunter und trat ein.
Sie glaubte ihren Augen nicht trauen zu können, als sie ihre Tochter mit einer Zigarette in der Hand auf dem Fensterbrett sitzen saß – die üblichen Kopfhörerstöpsel in den Ohren.
»Das darf ja wohl nicht wahr sein!« Aufgebracht durchquerte sie das Zimmer und legte Kim eine Hand auf die Schulter. Die zuckte ertappt zusammen und versuchte die brennende Zigarette vor ihrer Mutter zu verbergen – doch dazu war es natürlich längst zu spät.
»Sag mal, bist du verrückt geworden? Ich hatte dich für vernünftiger gehalten, Kim! Weißt du denn nicht, wie schädlich Zigaretten sind?«
Kim begegnete ihrem Blick fest. Jetzt, wo der erste Schreck überwunden war, reckte sie trotzig das Kinn. »Na, und? Ist doch meine Gesundheit, oder nicht? Was geht dich das an?«
»Wie bitte?« Shelly stemmte die Hände in die Seiten. »Ich höre wohl nicht richtig! Du bist gerade einmal vierzehn! Bis zu deinem achtzehnten Geburtstag trage immer noch ich die Verantwortung für dich – und das bedeutet, dass du so lange gefälligst die Finger von Zigaretten lassen wirst, verstanden?«
»Von dir lass ich mir überhaupt nichts mehr sagen!«, fuhr Kim sie wütend an, ließ sich vom Fensterbrett gleiten und richtete sich vor ihrer Mutter zu voller Größe auf. »Und nur, damit du Bescheid weißt: Du hast dich in letzter Zeit keinen Dreck darum geschert, was ich will und was ich brauche – und deshalb interessiert mich deine Meinung jetzt auch nicht mehr!« Sie schüttelte den Kopf. »Wenn Dad hier wäre …«
Die unbedacht dahingesagten Worte ihrer Tochter brachten bei Shelly endgültig das Fass zum Überlaufen. »Dein Vater ist aber nicht hier«, entgegnete sie energisch. »Besser, du findest dich damit endlich ab. Denn wenn es auf der Welt noch ein Fünkchen Gerechtigkeit gibt, dann wird sich daran so bald nichts ändern.« Sie hatte kaum zu Ende gesprochen, da bereute sie das Gesagte auch schon. Sie strich sich dasHaar zurück und zwang sich zur Ruhe. »Tut mir leid, so habe ich das nicht gemeint, aber …«
»Natürlich hast du es so gemeint!«, fauchte Kim. »Aber weißt du was – es interessiert mich nicht, was du denkst!« Sie drängte sich an ihrer Mutter vorbei und stürmte aus dem Zimmer.
Einen Moment lang stand Shelly sprachlos da, dann ließ sie mutlos die Schultern hängen. Ihre Wut war verraucht, und geblieben war nur Traurigkeit. Kaum zu glauben, dass Kim noch vor gar nicht so langer Zeit ihr kleines Mädchen gewesen war. Sie hatten doch früher immer über ihre Sorgen und Probleme sprechen können. Warum schien das jetzt einfach nicht mehr zu funktionieren?
Vielleicht, weil du auch nicht ganz ehrlich zu ihr bist? Du kannst Kim und Will nicht ewig die Wahrheit über ihren Vater verschweigen …
Seufzend trat Shelly an das geöffnete Fenster. Von oben sah sie Kim, die mit eiligen Schritten den Hof überquerte und dann in der neu renovierten Vorratsscheune verschwand. Shelly senkte den Blick. Ihr war klar, dass sie auf die Dauer so nicht weitermachen konnte. Aber wie sollte man den eigenen Kindern erklären, dass ihr Vater ein skrupelloser Verbrecher war?
Josh atmete tief durch, als er seinen Jeep vor dem ultramodernen Haus mit der großen Fensterfront am Stadtrand von Aorakau abstellte. Es war an der Zeit, einen Schlussstrich zu ziehen – und zwar endgültig.
Seit Tagen schob er den Besuch bei Helen nun schon vor sich her, dabei war es eigentlich gar nicht seine Art, unbequeme Entscheidungen unnötig hinauszuzögern. Und im Grunde stand nicht einmal zu befürchten, dass Helenüber seinen Entschluss besonders unglücklich sein würde. Schließlich waren sie nie viel mehr als eine Zweckgemeinschaft gewesen.
Trotzdem fiel ihm dieser Schritt schwerer als erwartet – was vermutlich vor allem daran lag, dass er sich nicht so recht erklären konnte, was
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