Das Geheimnis der Maori-Frau (German Edition)
sich eigentlich verändert hatte. Warum verspürte er plötzlich das Bedürfnis, sein bequemes Arrangement mit Helen zu beenden, mit dem er in den vergangenen knapp dreieinhalb Jahren doch so gut gefahren war?
Er kannte die Antwort. Aber war er auch bereit, sich ihr zu stellen?
Rasch verdrängte er den unangenehmen Gedanken und stieg aus dem Wagen. Mit großen Schritten erklomm er die Vortreppe und klopfte an. Schon nach ein paar Sekunden erschien Helens Umriss hinter der rauchgrauen Milchglastür, die kurz darauf geöffnet wurde.
Helen sah wie immer aus wie aus dem Ei gepellt. Ihr seidiges hellblondes Haar war zu einem kunstvollen Knoten im Nacken geschlungen, und sie trug einen weich fallenden Einteiler aus matt schimmernder Rohseide, der in der Taille mit einem schmalen goldenen Gürtel zusammengefasst wurde.
Als sie ihn erblickte, lächelte sie erfreut. Offenbar war sie nicht mehr verärgert, weil er beim letzten Mal einfach gegangen war. »Josh, was für eine unerwartete Überraschung! Warum hast du nicht angerufen und Bescheid gesagt, dass du vorbeikommst? Ich hätte uns eine Kleinigkeit kochen können und …« Sie verstummte, betrachtete ihn genauer. »Was ist los?«, fragte sie dann argwöhnisch. »Warum machst du so ein ernstes Gesicht? Stimmt was nicht?«
»Helen, wir müssen reden«, erwiderte er. »Aber nicht zwischen Tür und Angel. Lässt du mich rein?«
»Natürlich«, sagte sie stirnrunzelnd. »Geh schon mal vor, ich komme sofort.«
Sie verschwand im Schlafzimmer, während Josh den Korridor bis zum Ende durchging und das große Wohnzimmer betrat. Er hatte für die moderne Architektur von Helens Haus nicht viel übrig. Für seinen Geschmack gab es hier zu viele klare Linien, zu viel Glas und Stahl, um eine wirkliche Wohlfühlatmosphäre zu schaffen.
Die gewaltige Fensterfront des Wohnzimmers aber beeindruckte selbst ihn immer wieder. An klaren Tagen konnte man bis zum Meer blicken, doch heute Abend lag eine feine Dunstglocke über dem Tal, die das Licht der sinkenden Sonne dämpfte und allem einen weichen, unwirklichen Schimmer verlieh.
Er trat bis ganz dicht vor die Glasscheibe und versuchte, jedes Detail des Anblicks, der sich ihm darbot, in sich aufzunehmen. Die schroffen Bergrücken, deren schneebedeckte Gipfel im Abendrot zu glühen schienen, der gewundene Lauf des Silver Creeks, der sich wie ein glitzerndes Band durch das Tal zog und dessen Ufer von Steineiben und Rimu bewachsen waren.
Aorakau Valley mochte nicht gerade der Nabel der Welt sein, doch für Josh war es zumindest einer der schönsten Orte auf Erden. Er hatte in Auckland Agrarwissenschaften studiert und später ein Jahr für eine Firma in Sydney gearbeitet, für die er nach Europa, Asien und Amerika gereist war. Doch anders als so viele seiner Bekannten verspürte er kein Fernweh und war immer froh gewesen, wenn er nach längerer Abwesenheit endlich wieder nach Hause zurückkehren konnte.
Nicht einmal die zwiespältige Beziehung zu seiner Mutter hatte ihn davon abbringen können.
»Nun, Darling, was gibt es so Dringendes zu besprechen?«
Helen hatte sich unbemerkt von hinten genähert und beide Arme um seine Hüften gelegt. Er konnte den sanften Druck ihrer Brüste an seinem Rücken spüren. Früher hätte er nicht lange gezögert, diese unausgesprochene Einladung anzunehmen, und sie wären miteinander im Bett gelandet. Doch heute war die Wirkung, die ihre Nähe auf ihn ausübte, eine andere.
Er drehte sich um, umfasste ihre Schultern mit beiden Händen und schob Helen sanft von sich weg.
Ihr Blick spiegelte eine Mischung aus Verwirrung und Missbilligung wieder. Josh fiel auf, dass sie sich umgezogen und ihr Make-up aufgefrischt hatte. Sie trug jetzt nur noch ein halb durchsichtiges Negligé aus mitternachtsblauer Spitze. Das Haar fiel ihr offen über die Schultern. Hatte sie wirklich geglaubt, dass er gekommen war, um ein Schäferstündchen mit ihr zu haben? Oder ahnte sie bereits, was er vorhatte, und versuchte nun auf diesem Weg, ihn umzustimmen?
»Setz dich«, sagte er und deutete auf die sandfarbene Ledercouch, die das Herz des Wohnzimmers darstellte.
Helen zögerte, doch nachdem Josh selbst Platz genommen hatte, folgte sie seinem Beispiel. Fragend sah sie ihn an. »Was ist los, Josh? Was soll dieses geheimnisvolle Getue?«
»Es ist … Hör zu, Helen. Ich kann nicht mehr so weitermachen wie bisher. Wir sollten uns in Zukunft vielleicht nicht mehr so häufig sehen.«
Sie runzelte die Stirn. »Machst du etwa
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