Das Geheimnis der Maori-Frau (German Edition)
der Vater des Jungen, als er Shelly erblickte. »Ich hab dich geschickt, um den Doc zu holen, und du schleppst mir eine fremde Frau an! Wozu bist du eigentlich zu gebrauchen, kannst du mir das mal verraten?«
Shelly tat so, als hätte nichts von alldem gehört. »Mein Name ist Shelly Makepeace«, stellte sie sich vor und streckte ihm die Hand entgegen.
»Thomas Carter«, erwiderte er kurz angebunden. »Aber ich kann Sie hier im Moment wirklich nicht brauchen, Ma’am. Wir haben hier echte Schwierigkeiten.«
»Ich weiß«, erwiderte Shelly. »Ich war zufällig in der Nähe, als Ihr Sohn davon erzählte. Ich bin Tierärztin und …«
»Wir haben hier schon einen Tierarzt!«, fiel Carter ihr ins Wort. Dann wandte er sich an seinen Sohn. »Was ist jetzt mit Doc Halligan? Ist er unterwegs?«
»Der Doc kann nicht kommen«, entgegnete Luke. »Er liegt im Krankenhaus. Aber die Lady hat angeboten, uns mit Queeny zu helfen.«
»Sie?« Misstrauisch blickte er Shelly an.
Die seufzte. »Wie ich schon sagte, ich bin Tierärztin. Und zwar mit langjähriger Erfahrung. Ich …«
»Woher kommen Sie?«, wollte Carter wissen.
»Aus Los Angeles, ich …«
»Aha! Und womit haben Sie es da für gewöhnlich zu tun? Mit Hamstern und Katzen, vielleicht auch mal mit einem Hund?« Der Farmer wirkte skeptisch, doch schließlich schien er zu begreifen, dass ihm kaum eine andere Wahl blieb, alsShellys Angebot anzunehmen. »Ach, was soll’s«, knurrte er. »Sie können sich die Stute ja mal ansehen.«
Shelly ärgerte sich ein wenig über die eher frostige Behandlung. So etwas war sie von den Besitzern ihrer früheren Patienten nicht gewöhnt. Und ja, es stimmte: Für gewöhnlich waren reiche Societyladys mit ihren verwöhnten Chihuahuas, Zwergpinschern und Shih Tzus zu ihr gekommen. Aber sie wollte helfen – und sie würde es schaffen!
Sie schluckte die bissige Entgegnung, die ihr auf der Zunge lag, herunter und lächelte stattdessen. »Gern.«
Abgesehen von der trächtigen Stute standen noch zwei weitere Pferde im Stall. Die Tiere waren nervös, tänzelten unruhig von einem Bein aufs andere. Und auch Shelly spürte die Anspannung, die die Luft erfüllte. Als sie dann in die Box trat, erkannte sie auch, woran das lag.
Die Stute befand sich in einem mehr als schlechten Zustand. Ihre Augen waren weit aufgerissen, sie schnaubte, und ihr stand Schaum vorm Maul. Immer wieder versuchte sie sich aufzurichten, doch es gelang ihr nicht.
»Ruhig …« Shelly ging neben dem Tier auf die Knie und legte ihm eine Hand auf die Stirn. »Ganz ruhig …«
Es war, als würde die Stute spüren, dass Shelly es gut mit ihr meinte. Mit einem beinahe menschlich klingenden Seufzen ließ sie sich zurücksinken und atmete nun wesentlich ruhiger und gleichmäßiger als zuvor.
Ein wenig nervös war Shelly schon, als sie das Tier untersuchte. Sie hatte in der Vergangenheit kaum Erfahrungen mit Nutz- und Großtieren sammeln können, und sie war sich sehr wohl im Klaren darüber, dass dies von Nachteil war. Aber sie schob ihre Zweifel beiseite und konzentrierte sich darauf, der armen Stute zu helfen, die ganz offensichtlich unter heftigen Schmerzen litt. Die Ursache war dann auch raschgefunden – doch das machte die Situation nicht weniger dramatisch.
»Das Fohlen liegt verkehrt herum«, verkündete Shelly ernst.
»Verdammt!« Carter zog sich seine Baseballkappe ab und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Ihm stand die Anspannung ins Gesicht geschrieben. »Das klingt übel. Versuchen Sie wenigstens Queeny zu retten. Meine Kinder hängen so an dem Tier. Sie wären schrecklich traurig, wenn sie’s nicht schaffen würde.«
»Kommt nicht infrage, dass hier heute irgendjemand stirbt«, entgegnete Shelly resolut. Dann winkte sie den Farmer zu sich. »Kommen Sie, ich könnte ein wenig Hilfe gebrauchen …«
Doch ganz so zuversichtlich, wie sie wirken wollte, war sie nicht. Die Stute war bereits stark geschwächt, daher gab es keine Garantie, dass sie die Strapazen der Geburt überstehen würde.
Und auch Shelly selbst gelangte an ihre Grenzen, während sie darum kämpfte, das Fohlen im Mutterleib zu drehen.
»Schaffen Sie warmes Wasser heran«, wies sie Carter und die anderen Umherstehenden an. »Und ich brauche Jod zum Desinfizieren der Nabelschnur.«
Die Männer gehorchten sofort, und Shelly konzentrierte sich wieder auf ihre Arbeit. Es galt, keine Zeit zu verlieren. Da sich die Geburt des Fohlens schon recht lange hinzuziehen schien, drohte eine
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