Das Geheimnis der Maori-Frau (German Edition)
Hatte sie etwas falsch gemacht? Waren ihr am Ende womöglich doch kranke oder alte Tiere untergejubelt worden? Sie rechnete mit dem Schlimmsten – umso erleichterter war sie, als sie kurz darauf alles in bester Ordnung vorfand. Die Schafe auf der Ladefläche wirkten wohlgenährt und quickfidel. Neugierig blickten einige sie aus ihren schwarzen Knopfaugen an.
»Sie können abladen«, rief Shelly dem Fahrer des Trucks zu. »Fahren Sie am besten rüber zum Gatter, dann können wir die Tiere gleich hineintreiben und …«
»Nein!«, fiel Hal ihr ins Wort und hielt dem Mann die Lieferpapiere hin. »Sie nehmen die Tiere wieder mit und richten Ihrem Auftraggeber aus, dass er von uns keinen Dollar für diese Tiere bekommen wird.«
Doch der Fahrer schüttelte den Kopf. »Keine Chance. Die Viecher sind längst bezahlt, und für Beschwerden bin ich nicht zuständig …« Fragend blickte er zwischen Shelly und Hal hin und her. »Ja, was is’ nun? Wohin jetzt damit?«
Hal beachtete ihn gar nicht. »Sie haben im Voraus für diese Tiere bezahlt?«, stellte er Shelly zur Rede.
Die blinzelte irritiert. »Nun, ich … Ja, natürlich habe ich das. War das falsch? Hören Sie, Hal, ich verstehe nicht, was die ganze Aufregung soll. Was ist denn los? Stimmt etwas nicht?«
Seufzend fuhr Hal sich mit der Hand durchs Haar. »Das kann man wohl sagen«, erwiderte er kopfschüttelnd. »Shelly, das hier sind ganz herrliche Tiere, gesund und munter – aber es sind Cotswolds.«
»Cots … was?« Shelly verstand kein Wort.
»Fleischschafe«, erklärte Hal. »Tiere, die zur Produktion von Schlachtlämmern gezüchtet werden. Natürlich produzierensie auch Wolle – aber in viel geringerem Umfang und von schlechterer Qualität als beispielsweise Merinoschafe.«
Shelly spürte, wie sich eisige Kälte in ihrem ganzen Körper ausbreitete. Plötzlich wurde ihr ganz flau im Magen, und sie spürte, wie ihr sämtliches Blut aus dem Gesicht wich. »Soll das etwa heißen …«
»Ich fürchte, man hat Sie über den Tisch gezogen, Shelly. Tut mir wirklich leid.«
»Was soll das heißen, Sie können das Land nicht an mich verkaufen?« Ungläubig schüttelte Josh den Kopf, während seine Hand das Handy immer fester umklammerte. »Wir hatten doch im Grunde bereits alles besprochen, Cameron! Der Preis stand fest, es ging nur noch darum, die Vereinbarung schriftlich zu fixieren. Sie können doch jetzt nicht einfach einen Rückzieher machen, Mann!«
Der Mann am anderen Ende der Leitung seufzte. »Hören Sie, Josh, es geht nicht gegen Sie. Ich möchte einfach keinen Ärger, und …«
»Ach, daher weht der Wind!« Sofort horchte Josh auf. »Man hat Sie unter Druck gesetzt, stimmt’s? Verdammt, Timothy, wollen Sie sich das wirklich gefallen lassen?«
»Meine Gründe gehen Sie nichts an, Wood!« Die Stimme von Timothy Cameron klang gereizt. »Es ist meine freie Entscheidung, an wen ich mein Grundstück verkaufe – und ich habe mich gegen Sie entschieden. Tut mir wirklich leid.«
»Also, das darf doch nicht …!« Als Josh klar wurde, dass sein Gesprächspartner bereits aufgelegt hatte, warf er mit einem ungehaltenen Fluch das Handy aufs Bett.
Er war gerade von der Weide zurückkehrt und auf sein Zimmer gegangen, um sich fürs Abendessen umzuziehen, als ihn Camerons Anruf erreicht hatte. Josh stand schon seitfast einer Woche mit dem Farmer in Verhandlungen, der ein Stück Land verkaufen wollte, das direkt an Emerald Downs angrenzte. Es war zwar längst nicht so gut geeignet für seine Pläne wie die Makepeace-Farm oder die Ländereien seiner Familie. Aber da er weder bei Shelly noch bei seiner Mutter bisher einen Schritt vorangekommen war, hatte er sich nach Alternativen umgesehen.
Das Grundstück von Timothy Cameron kam dem, was Josh benötigte, recht nah. Und um nicht länger von der Vereinbarung mit seiner Mutter abhängig zu sein, hatte er sich kurzfristig zum Kauf entschlossen. Im Grunde war bereits alles unter Dach und Fach gewesen; trotzdem kam Camerons plötzlicher Sinneswandel für Josh nicht einmal sehr überraschend. Es war nun schon das zweite Mal innerhalb des vergangenen Monats, dass so etwas passierte. Zufall? Nein, daran glaubte Josh eher nicht. Und er brauchte auch nicht lange zu überlegen, um zu erraten, wem er diesen ganzen Ärger zu verdanken hatte.
So wie er war – in staubigen Jeans und einem verschwitzten Unterhemd – verließ er sein Zimmer und eilte durch den lang gestreckten Korridor. Mit seinen schweren Stiefeln
Weitere Kostenlose Bücher