Das Geheimnis der Maori-Frau (German Edition)
unter der Rubrik »Aus Fehlern lernt man« verbucht – doch angesichts der Tatsache, dass ihre Ersparnisse in sich zusammenschmolzen wie Butter in der Sonne, war das nicht so einfach. Ihre Kalkulation hatte von Anfang an nicht viel Spielraum geboten. Auch so hätten sie extrem sparsam mit dem verbliebenen Geld umgehen müssen, um den Zeitraum bis zur nächsten Schafschur zu überbrücken. Danach, so sah es ihr Finanzplan vor, hätten sie von den Einnahmen aus dem Verkauf der Wolle gelebt, die sie produzierten.
Doch ausgerechnet an diesem Punkt geriet nun alles ins Stocken. Mit den Schafen, die sie gekauft hatte, würde sie keinesfalls die erwarteten Gewinne erzielen. Und um höhere Erträge zu erwirtschaften, würde sie zuvor in eine neue Herde investieren müssen. Mit Geld, das sie nicht besaß.
Die Situation schien ausweglos. War ihr Traum von einem neuen Leben in Aorakau Valley damit bereits ausgeträumt?
»Mom?« Will, der am Fenster stand, drehte sich langsam um. Seine Miene drückte Verwirrung aus. »Du solltest mal herkommen und dir das ansehen …«
»Jetzt nicht, Schatz«, erwiderte Shelly seufzend. »Später vielleicht, ich …«
»Mom, du solltest dir das wirklich ansehen«, sagte nun auch Kim, die sofort aufgesprungen und zu ihrem Bruder ans Fenster getreten war.
Shelly wollte gerade genervt etwas erwidern, als sie das Blöken von Schafen zu hören glaubte. Stirnrunzelnd stand sie auf und ging zu ihren Kindern ans Fenster. Als sie die drei großen Trucks erblickte, die soeben auf dem Hof vorgefahren waren, stockte ihr der Atem. »Was zum Teufel …?«
Sie lief nach draußen. Dort war einer der Lastwagenfahrer gerade dabei, gut vierzig Schafe über eine Rampe ins Freie zu befördern, während die beiden anderen Fahrer die Tiere auf die von einem Gatter umzäunte Weide trieben.
Irritiert schüttelte Shelly den Kopf. »Warten Sie!«, rief sie laut. »Das muss ein Missverständnis sein …«
»Ein Missverständnis?« Der Mann an der Rampe blickte kurz auf. »Das hier ist doch die Makepeace-Farm, nicht wahr?«
Shelly nickte. »Ja, aber …«
»Dann sind wir hier richtig.«
»Was? Aber … Ich verstehe das nicht! Wer hat sie hergeschickt?«
Ohne die Tiere aus den Augen zu lassen, zog der Mann ein Bündel Papiere aus seiner Hosentasche und hielt es Shelly hin. »Hier, lesen Sie selbst.«
Mit zitternden Fingern faltete sie die Dokumente auseinander und überflog den darauf gedruckten Text. Bei einem Absatz blieb sie schließlich hängen, und ihre Stirn legte sich in Falten.
»Das darf ja wohl nicht wahr sein!«, stieß sie fassungslos hervor. Sie konnte kaum glauben, was dort schwarz auf weiß geschrieben stand, und las den letzten Abschnitt zur Sicherheit noch einmal.
»Das sind Merinos«, erklärte Hal, der sich die Schafe inzwischen genauer angesehen hatte. Ebenso wie Will und Kim, die begeistert zwischen den Tieren umherliefen und ihr weiches Fell streichelten. »Um die hundertachtzig Stück, wenn ich es richtig überschlagen habe.«
»Es sind sogar zweihundert – und sie sind bereits bezahlt«, entgegnete Shelly und atmete tief durch.
»Aber das ist ja …« Emily, die natürlich ebenfalls nach draußen geeilt war, strahlte glücklich. »Grundgütiger, das muss ein Geschenk des Himmels sein!«
Shelly schüttelte den Kopf. »Nein, nicht des Himmels. Sondern von Joshua Wood!«
Während Emilys Begeisterung sich jetzt noch weiter steigerte, zuckte Hal lediglich gleichmütig mit den Schultern. »Von wem dieses Geschenk kommt, ist egal. Unsere Sorgen sind damit jedenfalls auf einen Schlag vom Tisch.«
Doch Shelly sah das anders. »Nein, sind sie nicht. Ich werde dieses Geschenk nämlich keinesfalls annehmen!« Ehe die anderen, die sie entsetzt anstarrten, etwas erwidern konnten, wandte sie sich an den Mann, der ihr die Lieferpapiere ausgehändigt hatte. »Sie können die Tiere wieder aufladen, Mister«, erklärte sie entschlossen. »Sagen Sie Mr Wood, dass ich seine Hilfe nicht brauche und nicht will!«
»Was?« Fassungslos schaute Emily sie an. »Sie wollen Josh die Schafe zurückgeben? Aber …«
»Das ist doch die Lösung für all unsere Probleme, Mom«, mischte sich nun auch Kim ein. »Mit den Tieren können wir unsere eigene Zucht aufmachen. War es nicht genau das, was du wolltest?«
»Schon«, räumte Shelly ein. »Aber nicht, wenn ich dafür meine Seele an den Teufel verkaufen muss. Ich habe Josh schon mehr als einmal zu verstehen gegeben, dass ich durchausin der Lage bin, meine
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