Das Geheimnis der Maori-Frau (German Edition)
unterschiedlich langen Silberbändern. Am untersten Ende des einen baumelte eine kleine leuchtendrote Erdbeere, am anderen ein winziger silberner Totenschädel.
»Die sind echt witzig«, sagte sie. »Dass die hier so etwas führen, hätte ich nicht gedacht …«
»Du solltest sie mitnehmen«, meinte Megan. »Sie sind nicht teuer, und ich glaube, sie würden dir echt gut stehen.«
»Ja, nimm sie mit«, sagte nun auch Allison, die unbemerkt dazugekommen war. Sie lächelte, doch ihre blauen Augen schimmerten kalt. »Aber ohne an der Kasse dafür zu bezahlen, verstanden?«
»Was?« Kim riss die Augen auf. »Du willst, dass ich die Teile klaue ? Spinnst du?«
»Musst du wissen.« Gleichgültig zuckte Allison mit den Schultern. »Es ist nur so …«
»Ja?«
»Also, wenn du es machst, dann beweist du damit, dass du eine von uns bist. Andernfalls …«
»Sag mal, hast du sie noch alle!« Kim runzelte die Stirn. »Was soll das hier werden, eine Mutprobe oder so was?«
»Wenn du es so nennen willst …« Allison fixierte Kim eindringlich und hob, als Megan sich einmischen wollte, die Hand. »Halt dich da raus, Megan. Also, was ist jetzt, Makepeace? Traust du dich? Es sind doch bloß ein paar lächerliche Ohrringe …«
Kim klopfte das Herz vor Anspannung bis zum Hals. Zu Hause in L. A. hatte sie öfter mal etwas mitgehen lassen, wenn sie mit ihren Leuten unterwegs war, sie wusste also, dass sie es konnte – aber wollte sie es auch? Das Verrückte war – sie hatte keine Ahnung. Früher war es irgendwie immer nur darum gegangen, Schwierigkeiten zu provozieren. Je größer der Stress war, den man produzierte, umso größer der Coolnessfaktor. Zu Zack, der schon ein paar Mal Jugendarrest hinter sich hatte, hatten sie alle aufgesehen. Kim fragte sich sogar neuerdings manchmal, ob sie sich nicht überhaupt nur deswegen in ihn verliebt hatte. Weil er so perfekt die Rolle des düsteren Rebellen verkörperte.
Inzwischen sah sie aber einige Dinge mit völlig anderen Augen, und das überraschte sie nicht nur selbst, sondern jagte ihr manchmal sogar richtiggehend Angst ein. Es war, als hätte man ihr bei der Einreise nach Neuseeland unbemerkt eine Gehirnwäsche verpasst. Würde sie am Ende noch so spießig und verklemmt werden wie ihre Mutter, die offenbar gar nicht mehr wusste, dass sie selbst auch mal jung gewesen war?
Wenn diese dämlichen Ohrringe der Weg waren, hier im Tal Fuß zu fassen, dann sollte sie es vielleicht wirklich tun. Was war denn schon dabei? Sie würde die Teile in ihre Tasche stecken und zur Tür rausspazieren.
Aber dann musste sie an Lenny denken. Wie würde er wohl reagieren, wenn sie das hier tatsächlich machte? Sonderlich beeindruckt würde er ganz sicher nicht sein, das wusste sie sofort.
»Was ist jetzt, Makepeace?«, drängte Allison. »Nun mach endlich, ich habe nicht den ganzen Tag Zeit!«
»Du musst das nicht tun!« Beschwörend schaute Megan sie an. »Ehrlich, Kim, das kann keiner von dir verlangen.«
Dann wandte sie sich wieder an Allison. »Bitte, Alli, lass den Scheiß!«
Doch Allison beachtete sie gar nicht. Verächtlich schüttelte sie den Kopf. »Ich wusste doch gleich, dass du ein bloß ein Loser bist, Makepeace …«
»Was sagst du da?« Kim spürte, wie Wut in ihr hochkochte. Sie kniff die Augen zusammen. Allison hatte sie genau dort gepackt, wo sie am empfindlichsten war. »Ich bin kein Loser, kapiert?«, fauchte sie und ließ die Ohrringe in ihrem Rucksack verschwinden.
Entsetzt starrte Megan sie an. »Kim …!«
Doch Kim konnte nicht mehr zurück. Sie hatte die Herausforderung angenommen, und nun musste sie die Sache auch zu Ende bringen, komme was da wolle.
Allison grinste zufrieden, als Kim möglichst unauffällig auf den Ausgang des Mulligan’s zu schlenderte. Sie hatte die Tür fast erreicht, als sich plötzlich von hinten eine Hand auf ihre Schulter legte.
»Dürfte ich wohl mal einen Blick in deine Tasche werfen, junge Dame?«
2
»Bitte, Mister, können wir meine Mom nicht aus dem Spiel lassen? Ich weiß ja, dass ich Mist gebaut habe, und ich bezahle Ihnen die Ohrringe auch. Wenn’s sein muss, auch doppelt und dreifach. Aber bitte sagen Sie meiner Mom nichts davon, okay?«
Zusammen mit Megan, die als Einzige nicht das Weite gesucht hatte, als Kim vom Ladendetektiv des Mulligan’s erwischtworden war, hockte sie in einem kleinen Nebenraum des Kaufhauses. Hinter dem Schreibtisch saß ein ziemlich finster dreinblickender älterer Mann mit stark ergrautem
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