Das Geheimnis der Maori-Frau (German Edition)
Außerdem hatte sie die Vorschrift, flache Schuhe zu tragen, so interpretiert, dass sie weiterhin ihre Doc Martens anziehen durfte.
Wegen ihres Aussehens driftete sie vermutlich noch weiter in die Rolle der Außenseiterin ab, aber das war ihr egal. Wenn jemand mit ihr befreundet sein wollte, dann musste er sie so nehmen, wie sie war – oder eben gar nicht.
Trotzdem – wenn sie ganz ehrlich sein wollte, dann fehlten ihr die Abende mit ihren Freunden im Hancock Park doch schon ganz schön …
»Hey, ähm … Kim? Hast du heute Nachmittag schon was vor?«
Kim blinzelte irritiert. »Was?«
Vor ihr stand Megan Raleigh, eine schlanke Blondine,die – das hatte Kim schon registriert – zur absoluten In-Clique der Schule gehörte. Obwohl Megan und sie viele Kurse miteinander hatten, waren dies die ersten Worte, die sie miteinander wechselten.
»Ein paar Freunde und ich gehen gleich rüber ins Mulligan’s und ich dachte …« Sie schüttelte den Kopf. »Hey, tut mir leid, es war eine dumme Idee. Du hast bestimmt was Besseres zu tun, als mit uns rumzuhängen. Vergiss einfach, dass ich gefragt hab, okay?«
Kim brauchte einen Augenblick, um zu kapieren, was hier gerade vor sich ging. »Hey, warte!«, rief sie Megan zurück, als die schon fast zur Tür heraus war. »Ihr wollt shoppen gehen?«
»Na ja, soweit man beim Mulligan’s davon sprechen kann … Wenn man richtig shoppen gehen will, dann muss man schon woanders hinfahren, aber für ein Kaff wie Aorakau Valley ist das Mulligan’s schon ganz okay. Da kriegst du echt alles, vom Aktenschrank bis zur Zahnbürste. Die Auswahl an Klamotten ist allerdings eher spärlich, aber ich brauche sowieso nur ein paar Laufschuhe. Stehst du auch auf Joggen? Es gibt echt nichts, wobei ich besser abschalten könnte …«
Im Nu war ein richtiges Gespräch im Gange, und bereits nach ein paar Minuten hatte Kim das Gefühl, Megan schon ewig zu kennen. Die Blondine war kein bisschen arrogant oder überheblich, wie Kim zuerst gedacht hatte. Und auch die anderen Mädchen, mit denen sie sich vor dem Schulgebäude trafen, schienen echt nett zu sein. Ihre schweren Taschen über den Schultern, fuhren sie gemeinsam mit ihren Fahrrädern ins Ortszentrum, wo sie vor der Eingangstür des Kaufhauses bereits ungeduldig erwartet wurden.
Kim kannte die große Rothaarige mit der Traumfigur undden blauen Augen nur vom Sehen, doch ihr Ruf eilte ihr voraus. Allison Beauchamp-Smith, die von allen nur Alli genannt wurde, war mit Abstand das beliebteste Mädchen der ganzen Schule. Obwohl sie gerade einmal fünfzehn war, also nicht viel älter als Kim, verdiente sie schon ihr eigenes Geld, indem sie neben der Schule für Versandkataloge modelte. Normalerweise ließ Kim sich von solchen Äußerlichkeiten nicht so leicht einschüchtern, doch neben Allison kam sie sich ziemlich klein und unansehnlich vor. Vielleicht hatte das aber auch mit dem abschätzenden Blick zu tun, mit dem das It-Girl der Schule sie musterte.
»Du bist Kimberly, richtig?« Sie hob eine Braue. »Die Amerikanerin.« Die Art und Weise, wie sie das Wort aussprach, ließ es fast wie eine Beleidigung klingen, doch Kim ging nicht darauf ein. »Megan hatte erwähnt, dass sie dich mitbringen wollte.« Damit war ihr Interesse für Kim aber auch schon erloschen, und sie wandte sich an den Rest der Gruppe: »Was ist, Kinder? Wollen wir hier draußen auf dem Bürgersteig Wurzeln schlagen oder gehen wir rein?«
Obwohl Kim nun schon seit mehreren Wochen in Aorakau Valley lebte, betrat sie das Mulligan’s heute zum ersten Mal. Zu ihrer Überraschung war das Kaufhaus sehr viel größer, als es von außen den Anschein machte. Und Megan hatte nicht übertrieben: Hier gab es so gut wie alles, selbst Tierfutter, Bürobedarf und Werkzeuge. Sie entdeckte sogar eine Abteilung mit Polster- und Gartenmöbeln, und gleich mehrere Regalreihen waren ausschließlich für die unterschiedlichsten Küchenutensilien reserviert.
Natürlich hielt das Mulligan’s keinem Vergleich mit den riesigen Malls statt, die Kim von Kalifornien her kannte, doch für ein kleines Provinznest wie Aorakau war die Auswahl wirklich erstaunlich. Eine Weile schlenderte sie einfachnur zwischen den langen Regalreihen hindurch, bis sie Megan entdeckte, die vor einem Drehständer mit billigem Modeschmuck stand.
»Na, was Hübsches dabei?«
Megan lächelte. »Hey, Kim, wäre das hier nichts für dich?«
Sie nahm ein Set mit Ohrringen vom Ständer. Es waren kleine Stecker mit zwei
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