Das Geheimnis der Maori-Frau (German Edition)
nicht sagen, was er drüben vorfinden würde, aber ihm blieb keine andere Wahl – er musste es einfach versuchen. Entschlossen legte er sich die bewusstlose Tara über die Schulter.
Die Hitze, die ihm entgegenschlug, als er den Heuboden überquerte, war mörderisch, doch er ging weiter, kämpfte sich Schritt vor Schritt voran. Sein Kopf fühlte sich plötzlich ganz leicht an, während seine Glieder schwer wie Blei zu sein schienen. Er spürte, dass er nicht mehr lange durchhalten würde. Aber auch die Scheune stand kurz vor dem endgültigen Zusammenbruch, wenn er das immer lauter werdende Knarren und Stöhnen im Gebälk richtig deutete.
Hustend stemmte er die breite Luke auf und fluchte, als er sah, dass sich unterhalb der Öffnung nichts befand, was einen Sprung aus mehr als vier Metern Höhe abdämpfen konnte. Und doch war es die einzige Chance, die er nochhatte. Vielleicht gelang es ihm wenigstens, die kleine Tara heil hier herauszubringen. Er nahm Anlauf – und stoppte ihm letzten Moment, als er die Heuballen erblickte, die neben ihm an der Wand aufgestapelt standen.
Natürlich! Warum war er nicht gleich darauf gekommen?
Vorsichtig legte er Tara auf dem Boden ab, schnappte sich einen der Heuballen und warf ihn durch die offen stehende Luke ins Freie. Diesen einen, und noch einen, und noch einen …
Als er das nächste Mal nach unten blickte, stapelten sich unter ihm ein halbes Dutzend Heuballen. Er hob Tara wieder hoch und trat bis an den Rand der Luke. Im selben Moment, in dem er sprang, hörte er ein ohrenbetäubendes Poltern. Im Fallen sah er, wie der hintere Teil des lichterloh brennenden Heubodens nach vorne wegbrach.
Trotz des aufgeschichteten Heus war der Aufprall auf dem Boden so hart, dass Josh einen Moment lang glaubte, sich jeden Knochen im Leib gebrochen zu haben. Doch ihm blieb nicht lange Zeit, sich zu erholen. Ein Regen aus Funken und brennendem Staub ergoss sich auf ihn und Tara – und auf das trockene Heu, das sofort Feuer fing.
Josh mobilisierte noch einmal all seine Kräfte.
»Ich muss da rein!« Holly Cameron stemmte sich verzweifelt gegen den Griff, mit dem Shelly und ein Arbeiter von der Farm sie hielten. »Mein Kind! Tara!«
Tim Cameron war kurz nach Josh zur Scheune gelaufen, doch da war überall Feuer, und er fand einfach keinen Weg hinein.
Schluchzend brach Holly zusammen und barg das Gesicht in den Händen. Shelly spürte grenzenloses Mitleid mit der Frau, die um das Leben ihres kleinen Mädchens fürchtete – doch auch sie selbst hatte Angst.
Angst um Josh.
Sie schluckte hart. Noch vor weniger als einer Stunde hatte er sie leidenschaftlich geküsst, und jetzt … Was, wenn er es nicht schaffte, der Feuerhölle zu entkommen? Wenn er …?
Sie verscheuchte den Gedanken sofort. Unsinn, Josh würde nichts zustoßen, ganz bestimmt nicht. Jeden Moment würde er, die kleine Tara auf dem Arm, aus der brennenden Scheune kommen – gesund und unversehrt.
Und was, wenn nicht?
Und plötzlich tat sie etwas, das sie schon seit vielen Jahren nicht mehr getan hatte: Sie schloss die Augen und betete. Bitte nicht!, flehte sie stumm zum Himmel. Bitte, lass nicht zu, dass ihm oder dem Mädchen etwas zustößt!
Ein lautes Rumpeln ließ sie erschrocken die Augen wieder aufschlagen. Sie erblickte Tim Cameron, der auf sie zugelaufen kam, sein Gesicht eine Maske des Entsetzens. »Zurück!«, brüllte er, packte seine Frau am Arm und zerrte sie mit sich. »Hier bricht gleich alles zusammen!«
Wie von selbst setzte auch Shelly sich in Bewegung. Im Laufen warf sie einen Blick über ihre Schulter zurück und sah gerade noch, wie der vordere Teil des Dachstuhls der Scheune einstürzte. Im nächsten Augenblick brach das gesamte Gebäude wie ein brennendes Kartenhaus in sich zusammen.
»Nein!«, stieß sie atemlos hervor. »Josh!«
Eine Wolke aus Qualm und brennendem Staub erhob sich in die Luft und raubte Shelly den Atem. Doch noch viel mehr als das lähmte sie die Angst um Josh.
Sie sank auf die Knie, Tränen strömten ihr über die Wangen, doch sie merkte es kaum. Wie betäubt kniete sie im Staub, unfähig zu begreifen, was hier gerade passiert war. Irgendwo tief in ihr drin hatte sich ein schmerzhafterKnoten gebildet, der einfach nicht platzen wollte. Wie aus weiter Ferne drang das Geräusch einer Sirene an ihr Ohr. Die Feuerwehr – endlich! Jetzt, wo schon fast alles vorbei war …
Shelly stieß einen Laut, irgendwo zwischen Lachen und Schluchzen aus. Im zuckenden roten Widerschein
Weitere Kostenlose Bücher