Das Geheimnis der Maori-Frau (German Edition)
ist also wach?«
»Im Augenblick schläft er gerade.« Der Arzt nickte inRichtung Untersuchungskabine. »Er wird gleich in ein normales Zimmer gebracht. Ich möchte ihn wenigstens noch über Nacht zur Beobachtung hier behalten. Aber Sie können trotzdem gern zu ihm, wenn Sie möchten.«
»Darf ich wirklich?«
»Sonst würde ich es nicht vorschlagen«, entgegnete Doktor Shepard lächelnd. »Gehen Sie schon, ich sehe doch, dass Sie es kaum mehr erwarten können.«
Es überraschte Shelly fast selbst ein bisschen, wie zutreffend seine Worte waren. Mit klopfendem Herzen trat sie durch den Vorhang, der den Korridor von der Kabine trennte.
Joshs Anblick traf sie wie ein Stich ins Herz.
Sein Gesicht war so bleich, dass es gegen das blütenweiße Kopfkissen beinahe grau wirkte. Ein riesiger Tapeverband zog sich von der Hälfte der Stirn bis hinunter zur rechten Schläfe. Josh lag so still da, dass man kaum erkennen konnte, ob er atmete, und für einen schrecklichen Augenblick fürchtete sie, dass Dr. Shepard sich getäuscht hatte und dass er …
Als Josh plötzlich leise stöhnte und seine Lider zu flattern begannen, fiel Shelly ein solcher Stein vom Herzen, dass ihr unwillkürlich die Tränen kamen. Sie kämpfte dagegen an – umsonst. Die Ereignisse der vergangenen Stunden waren auch an ihr nicht spurlos vorübergegangen.
»Shelly?«, murmelte Josh. Er blinzelte heftig, vermutlich mussten seine Augen sich erst einmal wieder an das grelle Krankenhauslicht gewöhnen. »Was ist los? Warum weinst du?« Trotz seines geschwächten Zustands glitt ein Lächeln über seine Lippen. »Doch nicht etwa meinetwegen?«
Seine Worte ließen bei Shelly endgültig die letzten Dämme brechen. Aufschluchzend barg sie das Gesicht in den Händen.Tränen rannen über ihre Wangen, sie konnte sich gar nicht mehr beruhigen.
Sie hörte das Bett quietschen, als Josh sich aufsetzte. Dann zog er sie in seine Arme und strich ihr beruhigend übers Haar. »Schhh … Nicht weinen, es ist doch alles gut … Der Doc sagte, der Kleinen geht es gut, und ich fühle mich auch schon viel besser.«
Seine Nähe half ihr, die Angst zu überwinden, die wie eine Welle über sie hinweggerollt war. Sie konnte wieder freier atmen, und langsam wich die Kälte, die von ihr Besitz ergriffen hatte. »Tu das nie, nie wieder, hörst du?«, sagte sie mit fester Stimme. »Ich habe mir solche Sorgen um dich gemacht!«
»Allein das macht es das Risiko schon wert«, versuchte er zu scherzen, doch Shelly fand das alles andere als witzig.
Abrupt löste sie sich von ihm. »Um Himmels willen, wie kann man nur so unsensibel sein?« Sie schüttelte den Kopf. »Ich habe das ernst gemeint, Josh. Versprich mir, dass du dich nie wieder in solche Gefahr bringst! Schwöre es mir!«
Doch noch während sie diese Forderung aussprach, wurde ihr klar, dass sie ihm eine solche Zusicherung gar nicht abverlangen konnte. Er hatte sich so verhalten, wie sein Gewissen es ihm diktiert hatte. Und war es nicht genau das, was sie an ihm schätzte? Dass er sich für Menschen einsetzte, ohne auch nur eine Sekunde an sein persönliches Risiko zu denken?
Er nahm ihre Hand. Seine graublauen Augen wirkten plötzlich sehr ernst. »Es tut mir leid, Shelly, aber das kann ich nicht.«
Sie atmete tief durch. »Ich weiß«, sagte sie schließlich. »Und mir tut es auch leid – ich habe die Nerven verloren.« Nervös fuhr sie sich übers Haar, das sich rau und schmutzig unter ihren Fingern anfühlte, weil sich der Qualm und derRuß des Feuers darin festgesetzt hatten. Sie hatte die Nerven verloren, ja – aber warum? Waren es nur die Nachwirkungen des Schocks gewesen? Oder gab es in Wahrheit nicht noch einen anderen, viel tiefer reichenden Grund dafür, dass die Sorge um Joshs Zustand sie derart die Kontrolle hatte verlieren lassen? Empfand sie am Ende vielleicht doch mehr für ihn, als sie bisher bereit gewesen war, sich selbst einzugestehen?
Unsinn!, schalt sie sich sogleich. Was für eine vollkommen absurde Idee! Josh war immerhin ihr Feind, und in einen Feind verliebte man sich nicht!
So war es doch – oder …?
»Sag mal, ist das nicht Lenny McMahon? Der Typ, der bei euch auf der Farm arbeitet?«
Kim und Megan saßen im hinteren Teil des Buzzy Bee, dem einzigen Restaurant der Stadt, vor sich auf dem Tisch eine riesige Peperonipizza und zwei Gläser mit Coke. Eigentlich hatte Emily mit Will und ihr noch zu ihrer Schwägerin Katie hinausfahren wollen, angeblich, weil sie unbedingt noch etwas
Weitere Kostenlose Bücher