Das Geheimnis der Maori-Frau (German Edition)
eine Faust – erwischte ihn am Kopf, und Will sah Sterne. Er konnte nicht atmen, nicht schreien und sich nicht rühren. Erst als er glaubte, es nicht länger aushalten zu können, war es plötzlich vorbei.
Lachend rappelten sich die Mitglieder des Rugbyteams auf. Wie durch einen Schleier sah Will, dass einige von ihnen direkt in Richtung Sporthalle schlurften.
Zusammengekrümmt blieb Will auf dem Spielfeld liegen. Der Schmerz überall am Körper ebbte langsam ab, doch in seinem Kopf hämmerte es mit unverminderter Wut.
Jemand stieß ihn mit der Fußspitze an. Dann ging die Person neben ihm in die Knie.
Es war Jason.
»Hey, Makepeace«, raunte er ihm mit einem bösartigen Grinsen zu. »Wie sieht’s aus – hat dir diese kleine Lektion in Sachen Rugby genauso viel Spaß gemacht wie mir?«
Dann stand er wieder auf und ging davon, ohne sich noch einmal nach Will umzublicken.
Etwa zur selben Zeit trat Shelly zusammen mit Hal aus dem Halbdunkel des Stalls zurück ins Freie. Eines der Cotswold-Schafe, die auf dem Hof ihr Gnadenbrot fristeten, war krank geworden. Shelly hatte es vom Rest der Herde getrennt, um es zu beobachten. Inzwischen ging es ihm ein wenig besser, aber so ganz gefiel der Zustand des Tieres ihr noch nicht.
»Wie würden Sie in einem solchen Fall vorgehen?«, wandte sie sich an Hal. Sie wusste, dass viele ihrer Tierarzt-Kollegen niemals einen Außenstehenden um seinen Rat oder seine Meinung bitten würden. Shelly hingegen hielt es für grundverkehrt, die langjährige Erfahrung und das umfassende praktische Wissen von Menschen wie Hal zu ignorieren,nur weil man den eigenen Berufsstand als den einzig wahren Quell der Weisheit betrachtete. »Sie haben doch bestimmt eine Idee, oder nicht?«
»Also, ich würde …« Er verstummte abrupt und runzelte die Stirn. Wie von selbst folgte Shelly seinem Blick – erst jetzt fiel ihr der Jeep auf, der im Schatten des großen Rata neben dem Haus parkte.
Das war doch … Joshs Wagen!
Drei Tage waren vergangen, seit sie Josh zum letzten Mal gesehen hatte. Drei Tage, in denen es ihr irgendwie gelungen war, nicht allzu häufig an ihn zu denken. Und das, obwohl Kim und Will ihn als ihren großen Helden feierten, seit sie wussten, dass er das Cameron-Mädchen aus den Flammen gerettet hatte. Und auch Emily zeigte sich voll des Lobes über Josh. Trotzdem (oder gerade deshalb?) hatte Shelly es irgendwie geschafft, sich einzureden, dass diese Gefühle, die sie in der Nacht des Feuers und später im Krankenhaus überkommen hatten, rein sentimentaler Natur gewesen waren.
Nun aber musste sie feststellen, dass allein der Anblick seines Wagens ausreichte, um diese Illusion wie eine Seifenblase zerplatzen zu lassen.
Das Herz schlug ihr bis zum Hals, und ihre Knie wurden weich. Diese Reaktion hatte weder etwas mit Mitgefühl noch mit Anteilnahme oder Bewunderung zu tun – und das jagte ihr Angst ein. Sie hatte sich schon jetzt sehr viel mehr auf Josh Wood eingelassen, als gut für sie sein konnte. Gleichzeitig schien es nichts zu geben, was sie dagegen tun konnte.
»Sie haben Besuch«, sagte Hal und riss sie damit aus ihren Gedanken. »Wir sprechen später weiter. Ich will nicht stören …«
»Aber Sie stören doch nicht!«, entgegnete Shelly, doch Hal hatte sich bereits abgesetzt. Stirnrunzelnd schüttelte sie denKopf. Bildete sie es sich nur ein, oder verschwand Hal immer gerade dann, wenn Josh zu Besuch kam?
Sie fand Josh in der Küche vor, wo er mit Emily am Tisch saß und Earl Grey trank. Als Shelly eintrat, stand er auf. Im Blick seiner graublauen Augen lag etwas, das sie nicht genau einordnen konnte. Fest stand, dass er ihr Schmetterlinge im Bauch verursachte, und sie wusste, dass es vermutlich besser wäre, der ganzen Sache gleich hier und jetzt einen Riegel vorzuschieben, ehe es am Ende zu spät war.
Es gab nur einen Haken: Sie konnte es einfach nicht.
»Ich bin gekommen, um mich für das Verhalten meiner Mutter zu entschuldigen«, sagte er nun, und ihm war deutlich anzusehen, dass er es ehrlich meinte. »Wie sie sich dir gegenüber im Krankenhaus aufgeführt hat, war mehr als unwürdig.«
Shelly machte eine wegwerfende Handbewegung. »Ich habe mich inzwischen daran gewöhnt, von ihr angefeindet zu werden. Aber es ist wirklich nicht nötig, dass du dich für sie entschuldigst. Sie mag deine Mutter sein, aber deshalb bist du noch lange nicht für ihr Handeln verantwortlich.«
»Du bist mir also nicht böse?«
Lächelnd schüttelte Shelly den Kopf.
Weitere Kostenlose Bücher