Das Geheimnis der Maori-Frau (German Edition)
»Nein, natürlich nicht. Du … du hast dich wie ein wahrer Held benommen in jener Nacht. Ohne dich wäre die kleine Cameron nicht mehr am Leben …«
Verlegen senkte er den Blick. »Ich habe nur getan, was jeder andere in meiner Situation auch gemacht hätte.«
»Außer dir habe ich aber niemanden in das brennende Gebäude laufen sehen.«
»Wie auch immer – ich bin nicht hier, um mit dir zu diskutieren. Ich wollte dich zu einer Tiki-Tour einladen.«
Shelly blinzelte. »Einer – was?«
»Einer Tiki-Tour. So nennen wir hier kleine Ausflüge.«
»Aha. Und wie komme ich zu der Ehre?«
»Nun, da du dich ja offenbar inzwischen entschieden hast, dir mit deinen Kindern im Tal eine Zukunft aufzubauen, solltest du dich auch ein bisschen in der Umgebung auskennen, findest du nicht?«
Shelly zögerte. Auf der einen Seite konnte sie sich nichts Schöneres vorstellen, als mit Josh einen Ausflug zu unternehmen. Sie mochte ihn, und je mehr Zeit verging, desto besser schienen sie miteinander auszukommen. Andererseits durfte sie aber auch nicht vergessen, wer er war. Er hatte ihr gegenüber nie geleugnet, dass er ihr die Farm ihres verstorbenen Großvaters abkaufen wollte. Und nach der Sache mit Adrian sollte sie wirklich ein bisschen vorsichtiger sein, was Männer betraf.
»Ich weiß nicht«, erwiderte sie daher ausweichend. »Eigentlich wollte Hal heute noch ein paar Ideen mit mir besprechen, um die Wollqualität zu steigern.«
Doch zu ihrer Überraschung war es ausgerechnet Emily, die ihre Bemühungen sabotierte, standhaft zu bleiben. »Ach was, das kann er Ihnen doch immer noch erklären!«, sagte sie. »Los jetzt, gehen Sie schon! Die Kinder müssen jeden Moment aus der Schule kommen, und das bisschen Arbeit schaffen wir mit Lennys Hilfe schon allein. Aber denken Sie an das Pfarrfest heute Abend – wenn Josh möchte, kann er Sie ja vielleicht begleiten.«
Shelly atmete tief durch, dann gab sie ihrem Herzen einen Ruck. »Also schön, wo fahren wir hin?«
»Lass dich überraschen«, entgegnete er mit einem geheimnisvollen Lächeln.
»Schau nur, dort hinten!« Aufgeregt deutete Shelly, die auf dem Beifahrersitz von Joshs Jeep saß, auf einen Punkt unterhalbder Straße, wo sich das Wasser des Pazifiks schäumend gegen die felsige Küste warf. Sie waren jetzt gerade einmal seit zwanzig Minuten unterwegs, doch Shelly kam aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. All die neuen Eindrücke, die auf sie einstürzten – dabei lag die Farm ihres Großvaters kaum mehr als ein paar Meilen entfernt. »Sind das etwa …«
»Delfine«, bestätigte Josh lachend. Der Wind spielte mit seinem dunkelblonden Haar, und seine Wangen waren gerötet, was ihm, wie Shelly fand, etwas unwiderstehlich Jungenhaftes verlieh. »Davon gibt es hier in der Gegend eine ganze Menge. Ein Bekannter von mir hat in der Nähe ein Segelboot in einem kleinen Hafen liegen. Wer weiß, vielleicht können wir es uns demnächst einmal ausleihen und eine kleine Tour entlang der Küste unternehmen. Was hältst du davon?«
Shelly gab sich alle Mühe, sich ihre Begeisterung nicht allzu deutlich anmerken zu lassen, doch sie bezweifelte, dass es ihr wirklich gelang. Sie fühlte sich wie ein junges Mädchen beim ersten Rendezvous. Und die herrliche Umgebung tat ihr Übriges, um sie in einen wahren Freudentaumel zu versetzen.
»Ich glaube, der Vorderste springt gleich«, sagte Josh und richtete ihre Aufmerksamkeit damit wieder auf die Gruppe von Delfinen. Und tatsächlich schnellte eines der Tiere plötzlich aus dem Wasser und vollführte einen eleganten Bogen durch die Luft, ehe es wieder abtauchte und sich dann mit seinen Artgenossen in den Weiten des Pazifiks verlor.
Glücklich lehnte Shelly sich auf dem Beifahrersitz zurück, reckte das Gesicht dem Himmel entgegen und genoss die wärmenden Sonnenstrahlen auf der Haut. Sie konnte sich nicht daran erinnern, wann sie sich zum letzten Mal so unbeschwert, so frei gefühlt hatte. All ihre Probleme undSorgen schienen für den Moment unbedeutend und klein, und sie ließ sich ganz mitreißen vom Zauber des Augenblicks.
An einer Abzweigung folgte Josh dem Hinweisschild mit dem Aufdruck Nugget Point – 5 Meilen . »Jetzt ist es nicht mehr weit«, verkündete er.
Shelly setzte sich auf und atmete scharf ein, als sich ihr hinter einer Kurve der Blick auf ein unvergleichliches Panorama eröffnete. Auf einem steil ansteigenden Kap, das weit ins tiefblaue Meer hineinreichte, reckte sich ein mächtiger weißer Leuchtturm
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