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Das Geheimnis der Maurin

Das Geheimnis der Maurin

Titel: Das Geheimnis der Maurin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lea Korte
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bekommst du sie jetzt doch noch, ja, ist es das, was in deinem Hirn herumspukt?«
    Jaime hatte sich dermaßen in seine Wut hineingesteigert, dass er Gonzalo die Worte entgegenspie.
    »Jaime, bitte, beruhige dich. Was dein Bruder sagt, ist die Wahrheit!«, flehte Zahra, doch erst als Deborah zu ihm ging und ihm auf ihre zurückhaltende, fast schüchterne Art erklärte, dass nichts vorgefallen war, wofür sich jemand entschuldigen müsse, ließ Jaime von Gonzalo ab. Schnaubend drehte er sich um, starrte kurz die Wand an und stürmte dann so schnell in ihr gemeinsames Schlafzimmer, wie dies seine noch immer nicht ganz ausgeheilten Verletzungen zuließen. Donnernd krachte die Zimmertür zu.
    Im gleichen Moment betrat Raschid das Haus und wunderte sich über die verstörten Mienen der Anwesenden. »Was ist denn hier los?«
    Gonzalo erteilte ihm einen knappen Bericht. »Es tut mir leid, dass es zu diesem Missverständnis gekommen ist, aber mein Bruder war ja schon immer ein Hitzkopf. Mein Einsatz für eure Seidenfarm war jedenfalls ohne jeden Hintergedanken!«
    Raschid lud Gonzalo ein, in seinem Arbeitszimmer alles in Ruhe zu besprechen, und machte den Frauen durch eine Bewegung seines Kinns klar, dass sie sich zurückziehen sollten. Da Zahra angesichts der gefurchten Stirn ihres Bruders ahnte, wie wütend er auf sie war, beeilte sie sich, seiner Aufforderung umgehend nachzukommen, zumal sie sich selbst schon genug Vorwürfe machte: Wenn sie den Sitten entsprochen und Gonzalo nicht empfangen hätte, wäre es nie zu diesem Streit gekommen! Mit zusammengepressten Lippen folgte sie Zainab und Deborah in den Wohnraum, bedauerte, dass die Farm schon vor dem Rückkauf zu einem solchen Zerwürfnis zwischen Jaime und ihr führte, und schickte ein stummes
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an den Allmächtigen, dass dies kein schlechtes Omen für ihr Leben auf der Farm sein sollte.

XIV.
    Granada/Seidenfarm
15 . Juli 1497
    F ünf Jahre waren vergangen, und inzwischen lebte die Familie schon lange wieder die überwiegende Zeit des Jahres auf der Seidenfarm. Genau wie sie es erhofft hatten, fühlten sie sich dort wesentlich freier, ja, fast befreit, und konnten an guten Tagen sogar zeitweise vergessen, dass nicht mehr Boabdil, sondern die Katholischen Könige das Land regierten. Am meisten von allen blühte Deborah auf, weil sie weit mehr als in der Stadt ihren jüdischen Glauben zu leben und zu praktizieren wagte, wobei sie peinlich darauf achtete, dass dies einem unerwarteten Besucher nicht ins Auge springen konnte. Bedauerlich fand sie nur, dass sich ihre jüdischen Freunde bisher kaum einmal getraut hatten, zum Schabbat zu ihr heraus auf die Seidenfarm zu kommen, weil das Gerücht umging, dass die Familiares der Inquisition solche »Zusammenrottungen« von Neuchristen gerade an solchen Tagen misstrauisch beäugten, und aus dem gleichen Grund hatten sie schon gar nicht zum Feiern der großen jüdischen Feste wie Jom Kippur oder Rosch ha-Schana kommen wollen. Ebenso schwierig war es, irgendwo einen geheimen Gottesdienst abzuhalten, da hierfür mindestens zehn Gläubige anwesend sein mussten und sie damit noch leichter die Aufmerksamkeit der Familiares auf sich gezogen hätten. Aber in der Mischna hieß es nun einmal:
Man liest nicht das Schma, tritt nicht vor die Lade, erhebt nicht die Hände zum Priestersegen, liest nicht aus der Thora vor, liest nicht die Haftara aus den Prophetenbüchern, veranstaltet kein Stehen und Sitzen, spricht nicht den Trauersegen, Trostworte an die Leidtragenden und den Hochzeitssegen und veranstaltet keine Vorbereitung zum gemeinschaftlichen Tischsegen mit Nennung des Gottesnamens, wenn weniger als zehn Personen anwesend sind …
    Wem das Landleben ebenfalls eine besondere Art der Erleichterung verschafft hatte, war Jaime: Seit er eine gute Reitstunde von Granada zur Seidenfarm zwischen Gonzalo und Zahra wusste, war ihm weit wohler. Mittlerweile allerdings war Gonzalo noch nicht einmal mehr im Lande: Vor einem guten Jahr hatte er von Fernando ein Kommando für die königlichen Truppen erhalten und versuchte seither, den Franzosen das Königreich Neapel wieder zu entreißen. Mit sechzig mächtigen Kriegsschiffen und zwanzig kleineren Karavellen war er zusammen mit sechstausend Soldaten und siebenhundert Pferden zum Königreich Neapel aufgebrochen und hatte bisher, soweit man in Kastilien hörte, die meisten Schlachten zu seinen Gunsten entscheiden können.
    Sehr viel ruhiger auf der Farm wurde auch Zahra. Solange sie die Christen

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