Das Geheimnis der Medica: Historischer Roman (German Edition)
Rücken eines Mannes in schwarzem Mönchshabit mit Skapulier, der auf allen vieren versuchte, die Scherben eines zerbrochenen Kruges zusammenzusuchen. Er drehte sich um, sobald er die beiden Frauen kommen hörte, und sagte mit zerknirschter Miene: »Habt Ihr zufällig Schaufel und Besen zur Hand? Mir ist ein Missgeschick passiert.«
Annas Wut über das unberechtigte Eindringen eines Wildfremden in ihr Allerheiligstes kannte keine Grenzen, und so herrschte sie ihn mit lauter Stimme an: »Was, zum Teufel, habt Ihr in meinem Laboratorium zu suchen!?«
Er bekreuzigte sich, stand langsam auf und wischte dabei seine pfannengroßen Hände in einer verlegenen Geste an seiner schwarzen Kutte ab.
»Hütet Euch, Jungfer, den Namen Luzifers so leichtfertig auszusprechen!«, sagte er dann mahnend.
Er war von übergewichtiger Gestalt und hatte braunes Haar, das ihm in einem Kranz um den Kopf stand, die Tonsur war tadellos rasiert, die Augenbrauen waren die buschigsten, die Anna je bei einem Mann gesehen hatte. Er war zwar rasiert, hatte aber einen Bartschatten und musterte sie mit herausforderndem Blick, der zeigte, dass sich dieser Mönch von nichts und niemandem einschüchtern ließ. Er war ihr bei der Behandlung des Tanzwütigen schon aufgefallen, wo er stoisch der angeblichen Wunderheilung zugesehen hatte, bis er handgreiflich geworden war und Anna sich aus dem Staub gemacht hatte, um einer Schlägerei aus dem Weg zu gehen. Anna vermutete sofort, dass er es auch war, der ihr seit einiger Zeit nachschlich und jedes Mal verschwunden war, sobald sie ihn zur Rede stellen wollte.
Die Gelegenheit dazu nutzte sie jetzt: »Also – ich warte immer noch auf eine Antwort!«
Der Mönch begann zu grinsen und zeigte seine ebenmäßigen kleinen Zähne. »Verzeiht, meine Tochter, aber ich habe mir nur ein wenig die Zeit vertrieben, indem ich einen Blick in Euer Laboratorium warf.«
»Offensichtlich mit den Fingern und nicht mit den Augen«, sagte Anna streng, während Berbelin schon einen Besen geholt hatte und sich um die Scherben kümmerte.
»Außerdem bin ich nicht Eure Tochter, sondern die Medica, merkt Euch das«, fügte Anna barsch hinzu und verschränkte die Arme. »Also, sprecht. Wer seid Ihr und was wollt Ihr?«
Der Mönch konnte sein freches Grinsen nicht ganz unterdrücken, und Anna hatte das unbestimmte Gefühl, dass er etwas im Schilde führte.
Er zeigte auf die diversen Gerätschaften im Laboratorium und sagte: »Ihr seid erstaunlich gut eingerichtet. Manches habe ich noch nie gesehen. Seid Ihr Alchemistin?«
Sie antwortete nicht, sondern wartete stattdessen auf die Beantwortung ihrer Fragen. Es war wie ein stummes Kräftemessen, bis der Mönch schließlich mit einem tiefen Seufzer nachgab und sagte: »Ich bin Bruder Thomas. Ich habe von Euren Heilerfolgen gehört und bin von weit hergekommen, weil ich Eure Hilfe brauche.«
Anna glaubte ihm kein Wort. Wahrscheinlich wusste er nicht, dass sie ihn schon vor Wochen auf dem Marktplatz bei dem Wunderheiler gesehen hatte. »Ihr seid krank? So seht Ihr aber nicht aus. Was fehlt Euch denn?«, fragte sie misstrauisch.
Er langte sich an den Kopf, hinter das rechte Ohr, und machte dazu ein gequältes Gesicht. »Ich fürchte«, jammerte er, »ich fürchte, Me-di-ca«, er zerdehnte ihren Titel theatralisch in einzelne Silben, »Ihr müsst mir einen Stein aus dem Kopf schneiden. Er verursacht mir bisweilen fürchterliche Qualen, und ich habe gehört, dass Ihr dazu in der Lage seid. Seht her …«
Er ging auf sie zu und zückte mit der linken Hand einen prallen Geldbeutel, den er demonstrativ hochwarf und wieder auffing. Anna staunte über die Ruhe, die dieser Mönch ausstrahlte, trotz seiner offensichtlichen Lügengeschichte.
»Für einen besitzlosen Benediktinermönch habt Ihr einen erstaunlich gut gefüllten Geldbeutel«, sagte sie spitz.
»Oh ja, bei Gott«, erwiderte er. »Meine Mitbrüder haben für mich gesammelt, damit ich von diesem Dämon befreit werde, der in mich gefahren ist.«
Dabei schaute er sie mit einer solch entwaffnenden Unschuld an, dass jeder auf ihn hereingefallen wäre. Außer Anna. Sie begann sich zu ärgern. So leicht war sie nicht für dumm zu verkaufen. Oder steckte mehr dahinter? Vielleicht der Burgkaplan, der sie auf die Probe stellen wollte? Oder gar der Erzbischof? Aber nein, da sah sie Gespenster. Er wusste sicher nichts von ihr, außer, es hatte sich bis zu ihm herumgesprochen, dass es in Oppenheim eine junge Frau gab, die wider den Stachel
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