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Das Geheimnis der Medica: Historischer Roman (German Edition)

Das Geheimnis der Medica: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Medica: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Geiges
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dient, gibt es Ausnahmen von der Regel.«
    »Auch beim Beichtgeheimnis?«
    »Ich gebe ja nicht das Beichtgeheimnis preis. Ich nutze nur das Wissen daraus für eine gottgefällige Tat. Die Kammerzofe war neugierig und hat einmal durch diese Vorrichtung gespäht. Deswegen plagte sie das schlechte Gewissen. Ich habe sie davon befreit und ihr die Absolution erteilt. Jetzt kann sie wieder gut schlafen. So hat jeder seinen Vorteil aus der Sache gezogen. Jetzt gebt acht!«
    Der Geistliche machte einen Schritt auf die Wand zu, die gegenüber der Außenmauer mit den Fensterluken lag. Sie war aus grob behauenen, grauen Granitsteinen gemacht. Erst wenn man wusste, wo es war und ganz genau hinschaute, konnte man es erkennen: In Augenhöhe war statt eines Steins eine bemalte Holzklappe. Sie sah im schummrigen Licht so täuschend echt aus, dass sie von der Oberfläche der echten Steine nicht zu unterscheiden war. Auch die Verfugung war nur Attrappe.
    Der Burgkaplan schob die Fingernägel der linken Hand in die falsche Fuge und konnte die Holztür aufklappen. Dahinter war ein Schacht, der von einer Glasscheibe abgeschlossen wurde. Der Burgkaplan steckte seinen Kopf hinein. Gero war neugierig geworden und wartete ungeduldig darauf, dass der Kaplan ihn auch einen Blick durch die Mauer werfen ließ.
    Endlich zog der Geistliche seinen Kopf wieder heraus und flüsterte Gero ins Ohr: »Die Medica behandelt gerade den kleinen Sohn der Gräfin. Ihr müsst Euch nicht zurückziehen, wenn zufällig jemand in Eure Richtung schaut. Durch das Glas kann man nur von unserer Seite aus hindurchsehen. Auf der anderen Seite ist es ein Spiegel für die Gräfin, der in die Wand eingelassen ist. Wenn dort jemand auf das Glas schaut, sieht er nur sein eigenes Konterfei. Die Kammerzofe, die mir in der Beichte davon berichtet hat, ist nur durch Zufall darauf gestoßen, weil sie ihre Herrschaften durch diesen Gang hier zur Messe begleitet hat und die Gräfin schnell einen Blick in das Zimmer werfen wollte, um sicherzugehen, dass ihr Kind gut versorgt wurde.«
    Langsam und vorsichtig näherte sich Gero der Aussparung im Gemäuer, steckte den Kopf hinein und sah durch das Glas.
    Genau in diesem Moment wusch sich die junge Frau, die den kleinen Friedrich offenbar mit einer Salbe behandelt hatte, die Hände. Und da die Waschschüssel auf einer Truhe vor dem Spiegel stand, schaute sie geradewegs in Geros Gesicht, als der von der anderen Seite ins Zimmer spähte.
    Es war dieser Augenblick, der die Zeit für ihn drei oder vier Herzschläge lang gleichsam einfrieren ließ. Vielleicht zwei Handbreit von der Frau entfernt, starrte er ihr geradewegs in die Augen, ohne dass sie es merkte. Ein braunes und ein grünes.
    Zutiefst erschrocken über den unerwarteten Anblick und die schonungslose Erkenntnis, schnellte Gero zurück. Es konnte nicht sein, was er da gesehen hatte! Das waren die Augen von Bruder Marian, die Augen, die ihn für so lange Zeit nicht mehr losgelassen, ja förmlich verfolgt und gequält hatten. Er war sich ganz sicher.
    Der Burgkaplan beobachtete Geros überaus heftige Reaktion mit verwunderter Miene. Vorsichtig warf er selbst noch einmal einen Blick durch das Glas. Dann schloss er das bemalte Holztürchen wieder und drehte sich zu Gero von Hochstaden um.
    »Ihr kennt die Medica?«, fragte er.
    Gero, der sich von seinem Schrecken allmählich wieder erholte, nickte. Es war ihm, als habe er Luzifer persönlich direkt in die lächelnde Fratze gesehen.
    »Ja. Ja, ich kenne sie.«
    »Und wer ist sie? Eine andere Person, als sie vorgibt zu sein?«
    »Allerdings. Ich kenne sie als Bruder Marian aus dem Kloster Heisterbach.«
    »Der Mönch mit der Lepra? Der sich selbst gerichtet hat?«
    »Genau der.«
    »Unmöglich. Seid Ihr sicher?«
    »Diese Augen kann ich nicht vergessen. Und es gibt sie bestimmt kein zweites Mal. Ich selbst habe Bruder Marian mit allen Anzeichen der Lepra gesehen. Er wurde von den Mönchen verstoßen. Und ich war Zeuge, wie er ertrunken ist.«
    »Aber die Medica ist eine Frau!«
    »Er muss wiederauferstanden sein. Im Körper einer Frau.«
    Der Burgkaplan wagte es, Gero an den Schultern zu fassen und ihm direkt in die Augen zu sehen. Gero war immer noch außer sich und damit beschäftigt, seine Entdeckung zu verdauen.
    Der Burgkaplan flüsterte: »Kennt Ihr den 1. Brief des Paulus an die Korinther, 13, 12?«
    Über alle Maßen verwirrt, schüttelte Gero den Kopf.
    Der Burgkaplan zitierte mit zitternder Stimme: »Videmus nunc per speculum

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