Das Geheimnis der Medica: Historischer Roman (German Edition)
Während der Mönch schlief, hatte sie darüber nachgedacht, ob sie die Idee, die ihr beim Lesen des Briefes durch den Kopf geschossen war, in die Tat umsetzen sollte. Es schien ihr, als habe der Himmel diesen abtrünnigen Mönch geschickt. Wenn sie ihm nur vertrauen könnte …
Dann hatte sie einen Entschluss gefasst. Es war zwar heikel, ihm die Frage zu stellen, aber sie würde das Risiko eingehen.
Unter Ächzen und Stöhnen stemmte sich Bruder Thomas auf dem Tisch hoch und sah Anna mit zusammengekniffenen Augen an, als wisse er nicht genau, ob sie eine Vision war oder Wirklichkeit.
»Na – habt Ihr ausgeschlafen, Bruder Thomas?«, fragte sie überaus freundlich und lächelte ihn an.
Er schluckte und kam endgültig wieder zu sich.
»Wie lange war ich im Land der Träume, in das Ihr mich geschickt habt?«, fragte er krächzend.
»Ungefähr drei Stunden », antwortete sie heiter.
»Drei Stunden!«, stöhnte er. »Das darf doch nicht wahr sein. Oh, mein Kopf! Was habt Ihr nur mit meinem Kopf angestellt!« Er rieb sich die Stirn mit beiden Händen. Dann deutete er auf den Stein, mit dem Anna immer noch herumjonglierte.
»Was habt Ihr da?«, fragte er.
»Dreimal dürft Ihr raten! Könnte das nicht vielleicht der Stein sein, den ich aus Eurem ignoranten Schädel geschnitten habe?«, sagte sie fröhlich und warf ihn Bruder Thomas zu, der ihn im letzten Moment mit der rechten Hand auffing und ihn verwundert studierte, während er mit der linken seinen Hinterkopf vergeblich nach einer Wunde absuchte.
»Es reicht schon, dass Ihr mich gewaltsam in Morpheus’ Arme getrieben habt. Ihr braucht mich nicht auch noch zusätzlich zum Narren zu halten«, sagte er beleidigt und stieg endlich vom Behandlungstisch herab. Unsicher und wacklig stand er da.
»Wer den Schaden hat …«, deutete Anna an.
Er zuckte mit den Schultern.
»Ihr habt Eure Genugtuung gehabt, denke ich«, seufzte er. »Bekomme ich wenigstens noch einen Schluck zu trinken, bevor ich mich verabschiede, Medica?«
Anna nickte Berbelin zu, die in der Ecke der Behandlungsstube gewartet hatte und ihm nun einen gefüllten Krug reichte.
»Was ist das – Bier oder Wasser?«, fragte er sie und winkte im gleichen Moment zerstreut ab. »Tut mir leid, ich habe vergessen, dass Ihr gar nicht sprechen könnt. Gebt her …«
Er packte den Krug, roch kurz an seinem Inhalt, trank mit großen, gierigen Schlucken und schüttete sich den Rest Wasser ohne zu zögern über den Schädel. Prustend und heftig atmend gab er Berbelin den leeren Krug zurück.
»So, jetzt geht’s mir besser«, sagte er und sah Anna an.
Anna saß noch immer auf ihrem Hocker, Berbelin stellte den Krug ab und verschränkte die Arme über ihrer Schürze.
»Ich denke, Ihr seid mir einige Erklärungen schuldig«, fing Anna schließlich an.
»Wie kann das sein?«, lachte Bruder Thomas und schüttelte den Kopf. »Ihr wisst doch schon alles über mich. Oder habt Ihr vielleicht nicht Eure Nase in meine Sachen gesteckt, nachdem Ihr mir das Schlafmittel verpasst habt? Übrigens müsst Ihr mir unbedingt verraten, womit dieser Schwamm getränkt ist. Ich habe zwar schon von solchen Dingen gehört, aber die Wirkung ist verteufelt gut und schnell!«
»Hütet Euch, Bruder Thomas, den Namen Luzifers so leichtfertig auszusprechen!«, sagte Anna spöttisch.
Bruder Thomas starrte sie zunächst ungläubig an, dann fing er so heftig an zu lachen, dass er sich, vor Erschöpfung den Bauch haltend, auf den nächsten Hocker setzen musste, bis der krampfartige Lachanfall endlich nachließ. Anna und Berbelin hatten keine Miene verzogen.
»Verzeiht, aber Ihr seid unglaublich. Vor Euch muss man sich wirklich in Acht nehmen. Der Burgkaplan hatte recht, verflucht noch mal!« Er verzog schmerzlich sein Gesicht, verdrehte die Augen nach oben, bekreuzigte sich hastig und sagte: »Mea culpa, domine, mea culpa! Das ist mir so herausgerutscht, oh Herr! Soll nicht wieder vorkommen! »
Anna wunderte sich insgeheim über das seltsame Benehmen des Benediktinermönchs, aber eines hatte sie aufhorchen lassen.
»Der Burgkaplan? Hat er Euch zu mir geschickt?«, fragte sie.
»Nun – ich habe von Mönch zu Kaplan über Euch gesprochen. Weil ich von Euch gehört habe. Und vorher Erkundigungen einziehen musste. Ich wollte nicht nur nach Wirtshausklatsch urteilen, sondern von einem Mann geistlichen Standes hören, was er über Euch weiß und wie er das beurteilt.«
»Und wie ist seine Beurteilung ausgefallen?«
»Soll ich
Weitere Kostenlose Bücher