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Das Geheimnis der Medica: Historischer Roman (German Edition)

Das Geheimnis der Medica: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Medica: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Geiges
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müssen, dass sie den Brief gelesen hatte und sein Geheimnis kannte.
    Aber der Brief erzählte Anna noch mehr: Infirmarius war Bruder Thomas also gewesen! Ein klösterlicher Spezialist in Sachen Krankheit und Heilung.
    Welch ein Zufall.
    Zufall? Nein, ganz bestimmt nicht. Darum hatte er sie wohl aufgesucht. Er wollte überprüfen, was es mit ihrem Ruf als Wunderheilerin auf sich hatte. Ob er das aus eigenem Antrieb gemacht hatte? Oder doch im Auftrag einer höheren Instanz? Aber welcher Kirchenmann sollte ihn beauftragen, wenn Bruder Thomas exkommuniziert worden war? Da passte etwas nicht zusammen.
    Sorgfältig räumte Anna alles, was sie aus der Tasche von Bruder Thomas entnommen hatte, wieder hinein. Nur den Brief nahm sie an sich. Wie Bruder Thomas wohl an das Schreiben gekommen war? Nun, ihre Fragen konnte nur der abtrünnige Mönch selbst beantworten. Falls er, wenn er aufwachte, dazu bereit war. Zwingen konnte sie ihn nicht. Ob er allerdings nach seiner Bekanntschaft mit dem Schlafschwamm überhaupt noch ein Wort mit ihr sprechen würde, das stand auf einem anderen Blatt.
    * * *
    Auf dem ganzen Weg zurück nach Burg Landskron hatte sich Gero den Kopf zerbrochen. Nicht über Anna Ahrweiler, die sich durch irgendeine Hexerei von einem Mönch in eine Medica verwandelt hatte, sondern darüber, wie er seinen Onkel Konrad von Hochstaden benachrichtigen sollte, ohne zu desertieren. Die Brieftauben waren alle wieder in ihrem Heimatschlag auf Burg Hochstaden, Lutz und Oswald hatten sie mitgenommen, als ihre weitere Anwesenheit in Oppenheim nicht mehr vonnöten gewesen war. So wie die Dinge lagen, musste er wohl selbst zu seinem Onkel reiten, um ihm von der Wiederauferstehung des Bruder Marian im Körper eines Mädchens zu berichten.
    Aber das grundsätzliche Problem war: Wie sollte Gero seine wochenlange Abwesenheit von Burg Landskron und seinen Bogenschützen begründen? Burg Hochstaden war über drei Tagesritte entfernt, Kloster Heisterbach, wo der Erzbischof ebenfalls des Öfteren weilte, mindestens zwei.
    Während Gero noch grübelte, schließlich wollte er sich einen weiteren Aufenthalt auf Burg Landskron nicht durch Fahnenflucht für alle Zeiten verbauen, traf er auf dem steilen Serpentinenweg zur Burg auf Lutz, der von der Burg heruntergeritten kam.
    »Der Kaplan sagte mir, dass ich dich in der Stadt finde«, rief Lutz schon von weitem und verzog seinen Mund zu einem höhnischen Grinsen, als er Gero zu Fuß den beschwerlichen Weg heraufkommen sah.
    »Was ist denn mit dir los?«, fragte Lutz. »Bist du unter die Fußsoldaten gegangen?«
    Aber Gero war nicht zum Scherzen aufgelegt. »Deine dummen Späße treibe ich dir gleich aus«, antwortete er. »Was führt dich hierher?«
    »Schlechte Nachrichten.« Lutz wurde ernst und sprang vom Pferd, um es am Zügel neben Gero herzuführen. »Deine Mutter schickt mich. Dein Vater verlangt nach dir.«
    »Mein Vater? Er weiß doch, dass ich hier nicht weg kann, solange mein Onkel mich auf Burg Landskron braucht.«
    »Gero«, sagte Lutz und legte seinem Gefährten die rechte Hand auf die Schulter. »Du musst kommen. Dein Vater liegt im Sterben.«
    Gero blieb für einen kurzen Moment stehen. Dann war es also so weit, er würde alles erben. Schon bald. Große Gefühle löste diese Nachricht nicht bei ihm aus. Seinem Vater hatte er nie besonders nahegestanden. Er zögerte nicht lange und befahl Lutz: »Warte vor dem Stadttor auf mich. Ich hole mein Pferd und komme nach.«
    Er beschleunigte seine Schritte und kam keuchend und schwitzend im Burghof an, wo er sofort die Stallungen aufsuchte und den Burghauptmann um Urlaub bat. Dem wurde, angesichts seiner Begründung, ohne weiteres stattgegeben, und so machte sich Gero zusammen mit Lutz auf den langen Weg nach Burg Hochstaden.

V
    B ruder Thomas, der immer noch auf dem Behandlungstisch lag, blinzelte zaghaft und fing an zu stöhnen. Er griff sich an den Kopf. Sicherlich hatte er einen gewaltigen Brummschädel, vermutete Anna. Das waren die Nachwirkungen des Schlafschwamms, die umso schlimmer waren, je stärker die Dosis gewesen war. Dazu kamen Übelkeit und ein ausgetrockneter Mund, verbunden mit einem überwältigenden Durstgefühl, als habe man wie der Herr vierzig Tage in der Wüste gefastet. Alles in allem eine gerechte Strafe dafür, fand Anna, dass Bruder Thomas sie der Quacksalberei überführen wollte.
    Sie saß ihm gegenüber und spielte mit einem faustgroßen Stein, den sie aufreizend in die Höhe warf und wieder auffing.

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