Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Geheimnis der Medica: Historischer Roman (German Edition)

Das Geheimnis der Medica: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Medica: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Geiges
Vom Netzwerk:
langte herzhaft zu, er hatte einen Bärenhunger. Die Glocken der nahen Klosterkirche fingen dröhnend an zu läuten.
    »Es ist Zeit für die Sext«, sagte Pater Sixtus zum Erzbischof. »Eure Eminenz, Ihr solltet Euch in die Kirche begeben. Alle Brüder wissen, dass Ihr hier seid. Es würde Gerede geben, wenn Ihr nicht zur Messe erscheint.«
    »Pater Urban wird auch nicht erscheinen«, bemerkte der Erzbischof süffisant. »Und das werden wir zu erklären haben.«
    Er schwieg eine Zeitlang. Dann sagte er: »Wir werden verkünden, dass er vom Schlag getroffen wurde. Das ist das eine. Und nun zu Bruder Marian …«
    Lothar von Hochstaden schüttelte fassungslos den Kopf. »Ich kann es immer noch nicht glauben. Zwei verschiedenfarbige Augen. Das kann doch kein Zufall sein!«
    »Zufall oder nicht, wir müssen in dieser Causa jeden möglichen Fehler ausschließen. Das liegt in unserem eigenen Interesse. Wenn wir keine Maßnahmen ergreifen, könnte sich das später bitter rächen.«
    Pater Sixtus zog den glühenden Eisenhaken aus der Glut, mit dem er im Feuerholz des Kamins herumgestochert hatte, und sah ihn versonnen an. »Dann habe ich Euer Einverständnis, Eure Eminenz?«
    Der Erzbischof hob die Hand. »Wartet, das will gut überlegt sein. Es darf auf keinen Fall einen weiteren Toten geben. Nicht nachdem der Abt und sein Prior kurz nacheinander gestorben sind. Die Leute werden ohnehin schon mehr reden, als unserer Sache dienlich sein kann.«
    Lothar von Hochstaden winkte verächtlich ab: »Die Leute werden sich immer das Maul zerreißen. Lasst sie reden. In ein paar Wochen wächst Gras darüber, dann kräht kein Hahn mehr danach.«
    Der Erzbischof schüttelte unwirsch den Kopf. »Es ist nicht ratsam, dass das Augenmerk gewisser Kreise auf uns gelenkt wird. Nicht jetzt, wo wir unserem Ziel allmählich näher kommen, die Staufer in die Knie zu zwingen. Auf uns und das Kloster darf nicht der geringste Schatten fallen. Den Tod des Abtes und des Priors kann ich noch hinreichend erklären. Aber Bruder Marian … Nein, für ihn muss es eine andere Lösung geben.«
    Er sah seinen Bruder Lothar mit unmissverständlichem Blick an. Der nickte schließlich zustimmend. Beide wandten sich Pater Sixtus zu, der am Kaminfeuer stand und seinen Rücken wärmte.
    »Der verstorbene Infirmarius hat doch sicher eine gut ausgestattete Apotheke in seinem Krankentrakt …«, sagte Konrad von Hochstaden. »Gero, du bringst diesen Bruder Marian in die Kirche. Er soll an deiner Seite an der Sext teilnehmen. Pass auf, dass er keine Dummheiten macht. Wir alle werden an der Sext teilnehmen, ich persönlich werde die Andacht leiten und über den Abt und Pater Urban sprechen. Damit es erst gar nicht zu unnötigen Gerüchten und Spekulationen kommt. Während wir in der Kirche sind, habt Ihr, Pater Sixtus, freie Hand …«
    Pater Sixtus deutete eine Verbeugung an.
    * * *
    Die Glocken der nahen Kirche waren verstummt, als Pater Sixtus, selbst ein erfahrener Infirmarius, das Allerheiligste des toten Pater Urban durchstöberte: die Klosterapotheke.
    Was er in dem hohen, mit Regalen und Tischen vollgepackten Raum vorfand, war allerdings auch für ihn überwältigend. Seit Jahrhunderten war es üblich, so wie Karl der Große es in seinem Kapitular »De villis« vorgeschrieben hatte, dass in jedem Kloster dasselbe Apothekergärtchen mit denselben sechzehn lateinisch bezeichneten Pflanzen angelegt wurde. Pater Urban hatte sich anscheinend nicht damit begnügt, was der Kaiser einst für ausreichend befunden hatte.
    Eine solch reiche Auswahl an Kräutern, getrockneten Heilpflanzen, medizinischen Instrumenten, Büchern und Dutzenden Behältern mit lateinischen Aufschriften hatte Pater Sixtus noch nie gesehen. Ein ganzes Regal war gefüllt mit flaschengroßen Tiegeln, alle wohlgeordnet und beschriftet, die Essenzen, Öle und Salben enthielten. Manche duftend wie feinstes Zitronen- oder Rosenwasser, manche so ekelerregend, dass man schon beim Öffnen des Deckels zurückzuckte, manche so scharf, dass einem die Tränen in die Augen traten, wenn man nur vorsichtig mit der Zungenspitze daran leckte.
    Schließlich fand Pater Sixtus, was er suchte.
    Aus der Klosterkirche hallten die Gesangsstimmen der Mönche herüber, als Pater Sixtus mit wehendem Umhang durch die Gänge hetzte. Er beeilte sich. Bevor die Sext zu Ende war, musste er sein Vorhaben ausgeführt haben. Der Erzbischof verließ sich in derart heiklen Missionen voll und ganz auf ihn. Und er hatte seinen Herrn

Weitere Kostenlose Bücher