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Das Geheimnis der Medica: Historischer Roman (German Edition)

Das Geheimnis der Medica: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Medica: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Geiges
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bekam und aus der Gemeinschaft der Menschen ausgestoßen wurde?
    Erst jetzt, im Angesicht ihres baldigen Todes, und dem wurde sie durch diese Zeremonie unweigerlich ausgesetzt, erlaubte sich Anna derlei Gedanken. Denn was war ihr noch geblieben? Wenn sie sich gleich vor aller Augen nackt ausziehen musste, würde ihr Geheimnis offenbar werden, mit dessen Hilfe es ihr gelungen war, fast zehn Jahre zu lernen, was ihr als Mädchen nie zugestanden worden wäre.
    Anna sah flehentlich zum Altarbild: Bitte, lieber Gott, nicht das auch noch, bitte!
    Beinahe hätte sie ihre mühsam aufrechterhaltene Fassung verloren. Aber sie biss die Zähne zusammen und kämpfte trotzig die Tränen nieder, die hochzukommen drohten. Nein, den Gefallen wollte sie ihren Schindern nicht tun. Egal, was noch geschah, sie würde es mit Stolz und Gleichmut ertragen. Die barsche Stimme von Abt Sixtus riss sie aus ihren Gedanken.
    »Bruder Marian, leg deine Ordenskleider ab und gib sie in diesen Korb!«
    Auf diese Aufforderung hin brachte ein Laienbruder einen Korb. Mit bangem Blick stellte er ihn mehrere Schritte von Anna entfernt auf den Boden, als sei Anna eine bösartige Ausgeburt der Hölle und könne jeden Moment auf ihn zuschnellen und ihn in die Kehle beißen. Er zog sich hastig zurück. Auch die anderen Mönche machten einen Schritt nach hinten, als Anna anfing, sich langsam auszuziehen.
    Anna entledigte sich des Skapuliers und des Habits und legte beides in den Korb. Jetzt stand sie nur noch im Hemd da und wartete auf den nächsten Befehl. Auf ihren nackten Armen und Beinen waren deutlich die hässlichen Ausschläge der Lepra zu erkennen. Ein Raunen ging durch die Reihen der Mönche. Instinktiv wichen sie noch weiter nach hinten.
    Abt Sixtus hatte ein Einsehen.
    »Hier«, sagte er und warf ihr etwas zu, das zu ihren blanken Füßen auf den Boden fiel. Es war ein brauner Umhang mit Kapuze, den sich Anna schnell überstreifte und der ihr bis auf die Knöchel reichte. Der Umhang hatte eine Besonderheit: Über ein Dutzend Glöckchen waren daran angenäht, so dass Anna bei jedem Schritt zu hören sein würde – wie der Hofnarr des Königs. Nur dass ihr Umhang nicht der Belustigung diente, sondern der Abschreckung. Damit jedermann, der die Glöckchen hörte, einen weiten Bogen um sie machen und ihr aus dem Weg gehen konnte.
    »Du bist verpflichtet, fortan diesen Umhang zu tragen«, belehrte sie Abt Sixtus. »Er dient den gesunden Menschen zum Schutz. Sobald du diese Kirche verlässt, darfst du nie wieder einen Fuß in ein Gotteshaus, in ein Dorf oder eine menschliche Behausung setzen. Solltest du diesem Gebot zuwiderhandeln, darf dich jeder, der dir begegnet, töten. Deus vult ! Gott will es!«
    »Gott will es!«, kam das Echo aus den Kehlen der Mönche und Laienbrüder.
    »Dann geh mit Gott, Bruder Marian. Er stehe dir und uns bei. In nomine Patris et Filii et Spiritus Sancti! Oremus !«
    Der neue Abt machte das Kreuzeszeichen und nickte einem Mönch zu, der am Lettner stand und ihn öffnete. Der Weg war nun frei bis zum anderen Ende des Kirchenschiffs. Dort wartete ebenfalls ein Mönch und zog das Hauptportal auf, Licht fiel grell herein.
    Abt Sixtus begann zu beten, die Anwesenden fielen mit ein. » Gratiam tuam, quaesumus, Domine, mentibus nostris infunde: ut, qui, Angelo nuntiante, Christi Filii tui, incarnationem cognovimus  …«
    Die gaffenden, murmelnden Mönche und Laienbrüder wichen zurück wie die Wassermassen des Roten Meeres vor Moses und den Israeliten, als Anna vorsichtig Schritt um Schritt losging.
    Anna musste blinzeln, als die Sonnenstrahlen auf ihr entstelltes Gesicht fielen.
    Abt Sixtus fuhr unbeirrt fort mit seinem Gebet, während Anna wie eine Schlafwandlerin auf das Hauptportal zuschritt: »… per Passionem eius et Crucem ad resurrectionis gloriam perducamur. Per eundem Christum Dominum nostrum. «
    Nie hatte sich Anna so verlassen gefühlt. Ihre Eltern waren weit weg, ihr väterlicher Freund, der Einzige, dem sie sich in all den Jahren hatte anvertrauen können, ihr Lehrer Pater Urban, war tot. Anna war von tiefster Traurigkeit erfüllt, als sie unter dem völlig fehl am Platze wirkenden Gebimmel ihres Narrengewandes den langen Gang zum Portal mit bloßen Füßen durchmaß und schließlich in den hellen, sonnenbeschienenen Klosterhof hinaustrat. In ihrem Rücken hörte sie noch das abschließende »Amen«, das in ihren Ohren wie eine Verwünschung klang, die ihr die Klostergemeinschaft nachschleuderte, bevor das

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