Das Geheimnis der Medica: Historischer Roman (German Edition)
Schreck zuerst dachte, dass die Schergen des Erzbischofs gekommen waren, um ihn festzunehmen. Nachdem er in die ganze Geschichte eingeweiht worden war, schloss er sich der Meinung aller Beteiligten an: Es war an der Zeit, zum Angriff überzugehen und den Erzbischof vor Zeugen mit der Wahrheit über Anna Ahrweiler zu konfrontieren.
* * *
Als Konrad von Hochstaden die Dokumente und Briefe gründlich studiert hatte, reichte er sie dem Grafen wieder zurück. Zu groß war die Anzahl glaubwürdiger Zeugen, als dass er gewagt hätte, sie zu zerreißen. Als erfahrener Feldherr, der schon so manche Schlacht geschlagen hatte, wusste der Erzbischof, wann es an der Zeit war, die Waffen zu strecken und den geordneten Rückzug anzutreten, um den Schaden nicht noch zu vergrößern. Er trat vor die Medica und sah ihr direkt ins Gesicht.
»Was wollt Ihr von mir, Anna von Hochstaden? Euren Titel oder gar Euren Besitz, der längst an meinen Bruder und damit an Gero von Hochstaden, Euren Vetter, übergegangen ist?«
Er zeigte auf seinen Neffen, der von der neuen Lage vollkommen überrumpelt schien.
Die Medica erwiderte kühl: »Den Titel könnt Ihr mir nicht geben, den besitze ich unveräußerlich und rechtmäßig seit meiner Geburt, Eure Eminenz. Ihr hegt doch keine Zweifel an der Echtheit der Dokumente?«
»Nein, keineswegs.«
»Nun, dann habe ich also Anspruch auf meinen Titel und Anspruch auf meinen Besitz, ist das richtig?«
Der Erzbischof versuchte krampfhaft, das Heft des Handelns wieder in die Hand zu bekommen. »Da täuscht Ihr Euch. Ist Euch nicht bekannt, dass nach herrschendem Recht und Gesetz des Heiligen Römischen Reiches Besitztümer nur im Mannesstamme vererbt werden können? Und weibliche Erbansprüche damit kategorisch ausgeschlossen sind?«
Die Medica zögerte, sie war mit derlei rechtlichen Bestimmungen offenbar nicht vertraut.
Der Erzbischof spürte, dass er Oberwasser bekommen hatte. Aber bevor er zu einem vernichtenden rhetorischen Schlag ausholen konnte, mischte sich der riesige Mönch ins Gespräch.
»Mit Verlaub – gestattet mir einen Einwand, Eminenz«, sagte er honigsüß. »Es gibt da, soweit mir bekannt ist, eine Ausnahme, eine Lex Hochstaden.«
Der Erzbischof tat so, als hätte er keine Ahnung, wovon der Mönch sprach.
Aber der fuhr in aller Seelenruhe fort: »Ich habe mich in Eurem Kloster, dem Kloster Heisterbach, eigens kundig gemacht. Ihr habt glücklicherweise eine vorzügliche kleine juristische Handbibliothek in Eurem Armarium . Und genau dort bin ich fündig geworden. In einem Erlass des seligen Erzbischofs Rainald von Dassel, der eine der größten Reliquien der Menschheit von Mailand nach Köln gebracht hat, die ja nun im Besitz Eures Bistums ist, ehrwürdiger Erzbischof. Ich meine die Gebeine der Heiligen Drei Könige.«
Der Mönch genoss es sichtlich, den Erzbischof mit seiner weitausholenden Erklärung zu quälen. »Euer verehrter Vorgänger, der auch Kanzler unseres verstorbenen Kaisers Friedrich I. Barbarossa war, hat im Jahre des Herrn 1144, also vor fast hundert Jahren, ausgerechnet dem Grafengeschlecht derer von Hochstaden ausdrücklich auch die weibliche Erbfolge zugesichert. Ist das nicht eine geradezu gottgefügte Koinzidenz, Eure Eminenz?«
Erzbischof Konrad von Hochstaden schoss seinem Gegenüber einen wütenden Blick zu.
»Da habt Ihr wohl recht«, erwiderte er zähneknirschend. »Das war mir wirklich entfallen …«
Um sich noch mehr Peinlichkeiten zu ersparen, wandte er sich kurz angebunden an die Medica. »Also – was fordert Ihr, Anna von Hochstaden?«
Die Medica atmete tief auf, bevor sie antwortete: »Ich bin nicht an Eurem unrechtmäßig erworbenen Besitz interessiert, falls Ihr das befürchtet. Ich fordere hier und heute einen Freispruch vom Vorwurf der Häresie und davon, eine Hexe zu sein. Des Weiteren wünsche ich keine weitere oder zukünftige Verfolgung oder Anklage deswegen, das gilt ausnahmslos auch für meine Gefährten. Ich werde auch in Zukunft mit Eurem ausdrücklichen Einverständnis als Medica tätig sein, so lange und wo immer ich will, ohne Nachstellungen oder falsche Verdächtigungen befürchten zu müssen. Meinen rechtmäßigen Titel behalte ich, werde ihn aber nicht führen. Das wäre alles.«
Der Erzbischof schwieg und blickte finster vor sich hin. Jedermann wartete auf seine Antwort. Endlich fragte er: »Und wenn ich einwillige?«
»Bekommt Ihr unsere Zusicherung, dass nichts, was hier besprochen wurde, nach außen dringt«,
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