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Das Geheimnis der Medica: Historischer Roman (German Edition)

Das Geheimnis der Medica: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Medica: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Geiges
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Hauptportal mit einem lauten Dröhnen für immer hinter ihr verschlossen wurde.
    Sie zögerte keinen Augenblick und schaute auch nicht zurück.
    Hocherhobenen Hauptes ging sie weiter, bis sie die vordere Klosterpforte erreichte. Sie glaubte spüren zu können, wie sich die Blicke der Mönche, der Laienbrüder, des neuen Abtes und des Erzbischofs durch das Portal der Kirche in ihren Rücken bohrten. Der Gedanke daran brachte sie ins Stolpern, und sie wäre beinahe noch gestürzt. Doch ein Rest verbissenen Stolzes hinderte sie daran, in Blickweite des Klosters eine Schwäche zu zeigen.
    »Eines weiß ich wohl: dass ich blind war und bin nun sehend.« Die auf der Pforte eingemeißelten Worte aus dem Johannesevangelium erschienen ihr wie ein böser Fluch. Am liebsten wäre sie an Ort und Stelle zusammengesunken, aber mechanisch setzte sie Schritt um Schritt in den lehmigen Weg, der vom Kloster wegführte.
    Nach einer Weile war sie an das Ende der Pappelallee, die bis zum Horizont führte, gelangt. Hier konnte man sie vom Kloster aus nicht mehr sehen. Sie blieb stehen und schaute sich um. Weit und breit war sie allein auf dieser Welt, so schien es. Da erst brach sie am Wegesrand zusammen und schluchzte bitterlich wie ein kleines Kind.

VII
    A nna wusste nicht mehr, wie viele Stunden und wie viele Meilen sie ziellos vor sich hingetrottet war.
    Inzwischen ging es wohl auf Mittag zu, denn die Sonne begann allmählich mit frühlingshafter Kraft auf sie niederzubrennen. Sie hatte Hunger, und ihr Mund war völlig ausgetrocknet; ihre Lippen waren aufgesprungen und schmerzten. Sie war schier am Verdursten. Ihre Haut juckte unerträglich. Sie kratzte sich und blieb stehen. Was sollte sie jetzt tun? Sie wusste es nicht. Erst jetzt setzten ihre Sinne wieder ein, sie hörte ein munteres Plätschern und Glucksen, neben dem Weg führte ein Bach entlang. Dort konnte sie wenigstens ihren Durst löschen.
    Mühsam raffte sie sich wieder auf und begann zu marschieren. Nur weg vom Kloster Heisterbach, die Landstraße entlang, die Richtung Süden führte, hinein in das von Hügeln gesäumte Tal, dessen Bäume und Sträucher wie durch Zauberhand grün zu werden begannen.
    Die letzte Stunde war Anna dem Weg stetig bergauf gefolgt. Er führte durch einen dichten Buchenwald und schließlich zu einer Lichtung auf der Kuppe eines Berges. Dort sah Anna schon von weitem eine feine Rauchsäule aufsteigen und ging schnurstracks darauf zu.
    Der Rauch stammte von einer nur halb gelöschten Feuerstelle, den Spuren nach musste hier eine größere Gruppe mit Pferden gelagert und die Nacht verbracht haben. Anna zögerte nicht, auf allen vieren nach essbaren Überresten zu suchen, so groß war ihr Hunger geworden. Sie hatte Glück und fand ein altes Stück Brot, das wohl als Pferdefutter gedient hatte, so hart war es. Aber Anna setzte sich auf einen alten umgefallenen Baumstamm und verschlang es gierig.
    Beim Essen kam sie zum ersten Mal zum Nachdenken. Von hier oben aus hatte man nordwärts einen Blick bis zum fernen Rhein, der am Horizont im Licht der Sonne schimmerte. Auf einmal fiel es ihr wie Schuppen von den Augen – natürlich, dies musste der Maelberg sein, der von den Zisterziensermönchen in Heisterbach den Beinamen »Ölberg« bekommen hatte, weil er sie an den Ölberg in Jerusalem erinnerte. Als ihr Vater sie vor vielen Jahren zum Kloster Heisterbach brachte, hatten sie hier Rast gemacht. Ihr Vater hatte ihr alles gezeigt und erklärt: in südwestlicher Richtung den Drachenfelsen und ganz unten im Tal das Kloster Heisterbach. Erst später war ihr klar geworden, wie sehr er seine Wehmut überspielt hatte, um sich nicht anmerken zu lassen, dass es ihm schwerfiel, seine über alles geliebte Tochter der Obhut des Klosters zu übergeben. Seltsam, warum fiel ihr das erst jetzt wieder ein?
    Ihre Teilnahmslosigkeit ließ nach, und ihr Kampfesmut gewann wieder die Oberhand. Was sie brauchte, war ein Plan. Sie wollte sich nicht einfach aufgeben und ziellos umherirren, bis sie tot umfiel. Nein, sie würde alles versuchen, um den Tod ihres Mentors aufzuklären. Doch dann verließ sie der aufkeimende Mut wieder – wie sollte ein als Junge verkleidetes Mädchen, das als Aussätzige von jeder menschlichen Gesellschaft ausgeschlossen war, jemanden finden, dem es sich anvertrauen konnte?
    Die Lepra war ein langsamer, schleichender Tod, der den befallenen Menschen allmählich auffraß und sein Gesicht zu einer grässlichen Fratze entstellte. Anna wusste

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