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Das Geheimnis der Medica: Historischer Roman (German Edition)

Das Geheimnis der Medica: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Medica: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Geiges
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im Osten gerade silbrigrosa die Sonne auf.

TEIL II

I
    D er Weg, auf dem der vierrädrige Planwagen mit Anna und Aaron auf dem Kutschbock dahinholperte, führte durch einen düsteren Wald, der nicht enden wollte. Aber für Anna hätte es auch um die halbe Welt gehen können, so leicht war ihr auf einmal ums Herz. Die plötzliche Wendung, die ihr Schicksal genommen hatte, bestärkte sie in ihrem Wunsch, noch viel mehr über Entstehung, Bestimmung und Heilung von Krankheiten zu lernen. In ihrem jugendlichen Übermut hatte sie geglaubt, im Kloster ein umfangreiches Wissen über derlei Dinge erlangt zu haben. Aber dass der Adlatus des Erzbischofs, Pater Sixtus, sie mit seiner lapidaren Feststellung, sie sei unrettbar an Lepra erkrankt, so ins Bockshorn hatte jagen können, ärgerte sie maßlos. Zumal er sie ja nur oberflächlich in Augenschein genommen und nicht einmal richtig untersucht hatte. Nur weil sie sich beim Aufwachen so unbeschreiblich elend gefühlt und das Wort »Lepra« aus dem Mund eines Infirmarius sie so entsetzt hatte, dass sie keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte, hätte sie sich beinahe aufgegeben, anstatt der Sache auf den Grund zu gehen. Doch die vorschnelle Diagnose des Paters konnte natürlich auch damit zusammenhängen, dass er genau wusste, was sie wirklich hatte. Ob er ihr diesen böse aussehenden Ausschlag mit irgendeinem Mittel womöglich sogar selbst zugefügt hatte? Anna kannte so manche Wirkung von Kräutern und Heilpflanzen, die Durchfall, Brechreiz oder Schlimmeres auslösen konnten. Woher war ihre plötzlich aufgetretene Krankheit eigentlich gekommen?
    Aus heiterem Himmel?
    Ganz bestimmt nicht.
    Lepra bekam man nicht einfach so, man musste sich schon bei einem anderen Menschen anstecken, der bereits daran erkrankt war.
    Anna grübelte weiter. Sie konnte sich auf die Geschehnisse keinen Reim machen. Hatte man sie loswerden wollen? War der einzige Sinn dieses angeblichen Aussatzes, dass Anna das Kloster verließ? Oder wollte sie jemand, womöglich gar Seine Eminenz, der Erzbischof persönlich, aus dem Weg räumen? Aber warum hatte er sie dann nicht einfach umbringen lassen? Mit Gift, zum Beispiel. Das wäre doch für seine rechte Hand, Pater Sixtus, nicht weiter schwer zu bewerkstelligen gewesen. Oder hätte das vielleicht zu viel Verdacht erregt, so kurz nach dem unerwarteten und plötzlichen Tod von Pater Urban?
    Sie zweifelte daran, dass sie dieses Rätsel würde lösen können. Zumal sie gar nicht daran denken durfte, das Kloster Heisterbach jemals wieder betreten zu können. Und was war mit ihren Eltern? Waren sie etwa in ihrem Haus verbrannt? Daran durfte Anna nicht einmal denken, so sehr zog sich dabei ihr Herz vor Kummer zusammen. Warum hatte ihre Mutter, als ihre Eltern am Tag vor den verhängnisvollen Ereignissen bei Pater Urban zu Besuch waren, angedeutet, dass es da etwas gab, irgendein Geheimnis, das sie, Anna, besser nicht wissen sollte? Hatte das etwas mit dem Erzbischof zu tun? Sie hoffte es nicht. Oder waren ihre Eltern im Besitz von Kenntnissen, die irgendwelchen hohen Herrschaften zum Verderben werden konnten? Fragen über Fragen, die sie nicht beantworten konnte. Anna schwirrte allmählich der Kopf vor lauter Mutmaßungen. Sie kaute nachdenklich an ihrem Brot und trank Wasser aus einer Wasserflasche, beides hatte sie aus den Vorräten von Medicus Aaron erhalten.
    Ein gewaltiger Schlag gegen das rechte Vorderrad des Planwagens brachte sie wieder in die Gegenwart zurück. Ein dicker Stein am Wegesrand hatte ihr Gefährt beinahe ins Straucheln gebracht. Medicus Aaron sprang vom Kutschbock und untersuchte das Rad. Aber zum Glück war der eiserne Radreifen bis auf eine Delle unbeschädigt geblieben, und so setzten sie ihre Fahrt fort. Anna war dem Medicus dankbar, dass er seit ihrem hastigen Aufbruch kein Wort gesagt hatte. Auch er schien seinen Gedanken nachzuhängen und sah sich nur von Zeit zu Zeit um, ob die Verfolger nicht doch noch ihre Spur aufgenommen hatten. Aber weit und breit war keine Menschenseele unterwegs.
    An einer Weggabelung hielt der Medicus den Wagen an und wandte sich zum ersten Mal Anna zu. Er holte seinen kleinen Dolch heraus und reichte ihn ihr mit dem Griff voran.
    »Weißt du was? Tu mir und dir einen großen Gefallen und schneide endlich diese vermaledeiten Glöckchen ab. Sie treiben mich allmählich in den Wahnsinn.«
    Anna nahm den Dolch, und während der Medicus die Pferde wieder antrieb und den Weg nach rechts nahm, der auf eine breitere

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