Das Geheimnis der Medica: Historischer Roman (German Edition)
führte.
Anna folgte ihm in eine große Küche. An der Herdstelle hing ein Wasserkessel an einer Kette über dem Feuer, an Stangen über dem Herd waren Töpfe und Pfannen aufgereiht, ein großer Tisch stand in der Ecke, auf dem ein halb gerupftes Huhn lag und Gemüse zum Putzen. Der Steinfußboden war mit frischem Stroh bedeckt, wie die übrigen Böden im ganzen Haus. Alles war sauber und ordentlich, darauf schien der Hausherr großen Wert zu legen. Auf den ersten Blick konnte Anna sehen, dass dies das Haus eines wohlhabenden Mannes war.
Durch eine weitere Tür gelangten sie in einen Raum, in dessen Mitte ein Tisch von der Größe eines Bettes stand. Auf seinem Kopfende lag ein Strohkissen. An den Wänden lehnten Regale mit allerlei Töpfen und Tiegeln und verschiedenen metallenen Instrumenten, deren Bedeutung und Funktion Anna nicht kannte. Durch eine Fensterluke, die mit einem teuren Glas abgedichtet war, fiel Licht herein.
»Das ist die Stube, in der ich die Kranken untersuche und behandle«, meinte Aaron. »Und das …«, er ging zu einer weiteren Tür und öffnete sie, »… das ist mein Laboratorium. Nicht dass du denkst, ich sei ein Alchemist, aber hier mische ich meine Arzneien zusammen und führe meine kleinen Experimente durch.«
Er wies in den Raum mit einem Arbeitstisch, einigen Regalen und einer kleinen Feuerstelle. Das Laboratorium war vollgestopft mit absonderlichen Apparaturen, die Anna noch nie gesehen hatte. Von der Decke hingen an Schnüren aufgehängte Kräuter zum Trocknen, und ein großer Schrank mit Türen und Schubladen, die alle beschriftet waren, nahm den hinteren Teil des Raumes ein. In einem Regal befanden sich Dutzende von alten Folianten, Quart-, Oktav- und Duodezbänden mit schweren Lederrücken, sauber nach Größe geordnet, und auf einem Pult lag aufgeschlagen ein dicker Wälzer mit Abbildungen des menschlichen Körpers. Aaron nahm einen Tiegel und reichte ihn Anna. Vorsichtig hob sie den Deckel und schnupperte am Inhalt. Es war eine wohlriechende fettige Substanz.
Aaron wies mit dem Finger darauf. »Mit dieser Salbe reibst du deinen Körper ein, sobald du dich gründlich gewaschen hast. Du wirst sehen, sie wirkt Wunder gegen deinen Ausschlag. Er wird in ein paar Tagen verschwunden sein.« Dann suchte er noch ein kleines Fläschchen heraus, das er ihr ebenfalls in die Hand drückte. »Von dieser Tinktur gibst du fünf Tropfen deinem Badewasser hinzu. Nicht mehr!«
Plötzlich schwankte er, und bevor Anna helfend eingreifen konnte, stützte er sich am Türpfosten ab und fasste sich an den Kopf.
»Ihr solltet Euch ausruhen«, sagte sie und führte ihn zurück in die Behandlungsstube, wo sie ihm sanft, aber nachdrücklich der Länge nach auf den Tisch half, so dass sein Kopf auf dem Strohkissen zu liegen kam. Den Tiegel mit der Salbe und das Fläschchen mit der Tinktur stellte sie auf einer Bank ab.
In diesem Augenblick kam Esther, die Schwester und Haushälterin, mit einer dampfenden Wasserschüssel und Tüchern herein.
»Willst du dich nicht vorher umziehen?«, fragte sie Aaron besorgt.
Anna wusch sich die Hände in der Wasserschüssel und fing schon an, vorsichtig den Verband von seinem Kopf zu lösen. »Zuerst muss die Blutung gestillt werden«, meinte sie.
Aaron war trotz des Schwächeanfalls immer noch zu Scherzen aufgelegt. »Willst du mich nicht vorher zur Ader lassen, Bruder Marian? Das macht ihr doch bei allen euren Kranken im Kloster«, brachte er mit einem gequälten Lächeln heraus.
So sachte wie möglich entfernte Anna den letzten Rest des Verbands.
»Bitte ein sauberes Tuch«, sagte sie zu Esther, die daneben stand. Aarons Schwester konnte ein gewisses Misstrauen nicht verbergen, als sie Anna ein Tuch reichte.
»Ihr habt schon genug Blut verloren, ich werde Euch ganz sicher nicht zur Ader lassen«, beantwortete Anna die spöttische Frage des Medicus. »Und jetzt, wenn Ihr erlaubt, werde ich meine Arbeit machen.«
»Wie sprecht Ihr denn mit dem Medicus!«, empörte sich Esther.
Aaron winkte ab: »Bruder Marian hat vollkommen recht. Bring mir lieber eine Decke. Mich friert!«
Esther wollte noch etwas sagen, überlegte es sich aber noch rechtzeitig, stellte die Wasserschüssel heftig auf den Tisch, warf die Tücher daneben und rauschte hinaus.
»Sei ihr nicht böse«, sagte Aaron. »Bis jetzt ist Esther mir immer bei allem zur Hand gegangen. Aber sie wird sich schon an deine Gegenwart gewöhnen.«
Anna nahm ein Tuch, tauchte es in das heiße Wasser und
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