Das Geheimnis der Medica: Historischer Roman (German Edition)
und sich nur allzu gern gegenseitig zerfleischte.
Dem Kaiser spielte eine schwächelnde Kirche nur in die Karten, und Erzbischof Konrad von Hochstaden tat alles, um das Machtvakuum für seine Zwecke zu nutzen. Aber natürlich ohne sich selbst die Finger dabei schmutzig zu machen.
Gero wünschte sich nichts sehnlicher, als mit wehenden Fahnen für ihn ins Feld zu ziehen oder wenigstens zum inneren Kreis seines Onkels zu gehören. Das wäre sicher ein anderes Leben, als im Auftrag des Vaters die Pachtzinsen von säumigen Bauern einzutreiben oder die Grenzen der Grafschaft abzureiten, was der stumpfsinnigste aller Aufträge war, den Gero nur ertrug, wenn er sich mit seinen zwei Begleitern Oswald und Lutz die Abenteuer selbst ersann.
Wie oft hatte er seinen Vater schon gebeten, ihm wichtigere Aufgaben zu übertragen oder auf seinen Onkel einzuwirken, dass dieser ihn in seinen illustren Kreis aufnahm. Stets war Gero auf einen späteren Zeitpunkt vertröstet worden, und allmählich verlor er die Geduld. Wenigstens hatte er als Begleitschutz zum Kloster Heisterbach mitreiten und den missliebigen Mönch aus dem Weg räumen dürfen. Aber das reichte Gero nicht.
Er barst schier vor Tatendrang und liebäugelte im Geheimen mit dem Gedanken, sich den Kreuzrittern anzuschließen und ins Heilige Land zu ziehen, wo man noch Ruhm und Ehre und ein ewiges Leben und Vergebung aller Sünden erringen konnte, indem man das Land für die Kirche eroberte und die Heiden vernichtete. Wie aufregend musste das sein! Neidvoll dachte er an seinen ältesten Onkel, Harald von Hochstaden, der vor gut fünfzehn Jahren – Gero war noch ein kleines Kind gewesen, als er den prunkvollen Auszug des Onkels mit seinen Rittern mitangesehen hatte – ins Heilige Land gezogen und seither verschollen war. Vielleicht war er tot, vielleicht war er auch König eines fernen Reiches geworden und wollte nun von seiner alten Heimat nichts mehr wissen, weil es dort im Morgenland viel prächtiger und schöner war als hier.
Wie er so von seinem Bett die Decke anstarrte und grübelte, ahnte Gero, dass etwas in der Luft lag. Seit Tagen berieten sich die welfischen Boten, der Erzbischof, dessen wichtigste Berater, sein Vater und sein zweiter Onkel Heinrich in einem abgeschiedenen Zimmer auf der Burg. Nur er war dort nicht zugelassen, was ihn wurmte bis zur Raserei.
Hatte er nicht alles, was ein Ritter brauchte?
Schon von klein auf war er robust gewesen. Als Fünfjähriger war er in seinem Übermut, obwohl es ihm streng verboten war, auf den Zinnen des Bergfrieds herumgeturnt. Auch später wusste er mit seinen überschüssigen Kräften nicht, wohin.
Als Gero zehn war, hatte ihn schließlich sein strenger Onkel Heinrich unter die Fittiche genommen, was bedeutete, dass Gero eine Erziehung bekam, wie es sich für einen männlichen Spross aus dem Hause von Hochstaden gebührte, nämlich mit eiserner Hand. Die ritterlichen Tugenden, wie Härte gegen sich selbst, Kämpfen, Reiten und Fechten wurden Gero so gründlich eingebläut – wenn es sein musste, auch mit Gewalt und Strafe –, dass er bald nur noch eines im Kopf hatte: seine Kraft und Geschicklichkeit auch anzuwenden. Sein hinterlistiger Schabernack, seine Raufereien und Tollheiten waren in der ganzen Grafschaft berüchtigt. Doch sein Vater und seine Onkel waren stolz auf ihn und sahen es als Beweis einer tüchtigen Erziehung, dass er zu dem Mann wurde, der er war.
Seit Erzbischof Konrad begonnen hatte, seinen Herrschaftsbereich auszuweiten und seine Gegner nicht nur auf diplomatischem Weg, sondern auch mit militärischen Mitteln zu bekämpfen, sah Gero die Zeit gekommen, seine Fähigkeiten endlich unter Beweis stellen zu können. Eines Tages würde sich eine Chance bieten. Er glaubte fest daran.
V
E sther half Rebecca in der Küche. Sie putzte das Gemüse, während die Magd das Huhn rupfte. Bei ihrer Arbeit geriet Esther ins Grübeln. Seit vielen Jahren schon war sie jetzt als Haushälterin bei ihrem Bruder. Während dieser Zeit hatte sie sich daran gewöhnen müssen, dass es Aaron mit seiner Religion und den damit verbundenen Regeln nicht so genau nahm. Wenn es seine Zeit zuließ, hielt er sich an den Sabbat und besuchte die Synagoge. Aber dort kümmerte er sich eher um die vielen Wehwehchen der anderen Gläubigen und tratschte lieber über Politik, als sich mit dem Talmudstudium und den Gebeten zu beschäftigen. Weil er viel unterwegs war, konnte er sich auch nicht den strengen Essensvorschriften widmen,
Weitere Kostenlose Bücher