Das Geheimnis der Medica: Historischer Roman (German Edition)
den Lagerfeuern fand zwar das eine oder andere Spielchen statt, wo man um geringe Geldbeträge würfelte oder Karten spielte. Aber auch diese kleinen Zerstreuungen liefen für gewöhnlich still und leise ab und wurden sofort abgebrochen, wenn ein Uneingeweihter wie Gero sich näherte. Er bekam nicht viel Nützliches aus den Leuten heraus, so sehr er sich auch bemühte.
Dazu kam, dass seit Tagen eine gewisse Spannung in der Luft lag, weil sämtliche Bewohner der Burg darauf zu warten schienen, dass die Gräfin von der schweren Geburt genas und das versprochene Fest zur Ankunft des Stammhalters endlich stattfand. Der Graf und seine Gattin waren, wie Gero feststellte, außerordentlich beliebt, und jedermann wünschte ihnen nur das Beste. Aber das waren alles Nachrichten, die nicht unbedingt dazu geeignet waren, dem Erzbischof mitgeteilt zu werden, zu unwichtig waren sie für dessen Pläne. Einmal suchte Gero seine Kumpane, Lutz und Oswald, nach der sonntäglichen Messe auf und befahl ihnen, sich in der Stadt umzuhören und etwas herauszufinden. Doch das Einzige, was in Oppenheim die Runde machte, war das Gerücht, in der Nähe einiger Städte seien Kinder verschwunden. Dafür gaben christliche Fanatiker den Juden die Schuld und forderten, die Ghettos in den Städten gewaltsam nach den Kindern zu durchsuchen. Aber solange es keinen konkreten Anlass für diese vagen Vermutungen gab, sorgten diese Gerüchte auch nicht für Aufregung in der Bevölkerung.
Gero blieb nichts anderes übrig, als seine Schützen auf die von ihm angeforderten neuen Langbögen umzuschulen und seine Augen und Ohren offen zu halten.
Nach einiger Zeit beschloss er, in die Offensive zu gehen, und meldete sich beim Burgkaplan zur Beichte an. Das stand seiner Position als militärischer Ausbilder gut zu Gesicht. Überdies wollte Gero herausfinden, ob der Kaplan, wie sein Vater, Lothar von Hochstaden, vermutete, auf der welfischen Seite stand und geneigt war, Gero mit Informationen über den Grafen von Landskron zu versorgen.
Mit wachsender Ungeduld wartete Gero im Beichtstuhl, bis der Burgkaplan im Abteil des Beichtvaters Platz genommen hatte. Ein Schwall von Myrrhe und Weihrauch drang durch das vergitterte Fenster.
»Also, mein Sohn, was hast du auf dem Herzen?« fragte der Burgkaplan.
»Vater, ich habe gesündigt«, kam die rituelle Antwort.
Der Burgkaplan antwortete: »Der Herr sei in deinem Herzen und auf deinen Lippen, damit du dich in seinem Lichte erkennst.«
Gero bekreuzigte sich und murmelte: » In nomine Patris et Filii et Spiritus Sancti .«
»Amen. Was hast du zu beichten?«, fragte der Kaplan.
Gero hatte sich seine Worte genau überlegt. »Ich habe einen schrecklichen Traum, der mich verfolgt und quält, Euer Gnaden, so dass ich des Nachts immer wieder aufwache und nicht mehr schlafen kann.«
»Was ist das für ein Traum, sprich, mein Sohn!«, forderte der Kaplan ihn hörbar gelangweilt auf. »Ein Traum, in dem du sündigst?«
»Nein, Euer Gnaden. Es ist immer derselbe. Ein Teufel mit zwei verschiedenfarbigen Augen quält mich.«
»Woran erkennst du, dass es der Teufel ist?«
»Er hat verschiedene Gesichter. Er wechselt sie. So etwas kann doch nur der Teufel. Mal ist es der Kaiser, mal ein Mönch, mal ein Mädchen. Aber es sind immer die gleichen Augen, eines braun, das andere grün.«
»Was macht der Teufel mit dir?«
»Er setzt sich auf meine Brust. Ich kann mich nicht wehren, ich bin wie gelähmt, und er ist schwer wie ein Felsbrocken, sieht mich mit seinen Augen an, in denen ich das Höllenfeuer lodern sehe, und sagt mir, dass er mich nun zu sich holt. Dann drückt er mir seinen Mund auf den meinen und saugt mir die Seele aus dem Leib. Danach wache ich auf, als wäre ich schon im Höllenfeuer gewesen, so schweißgebadet bin ich.«
Der Burgkaplan schien nun doch allmählich interessiert zu sein. »Wie lange hast du diesen schlimmen Traum schon, mein Sohn?«, fragte er.
»Seit ich diesem Mönch begegnet bin. Ein junger Mönch, als ich mit dem Erzbischof im Kloster Heisterbach war …«
»Mit dem Erzbischof?«, unterbrach der Kaplan. »In Kloster Heisterbach?«
Nun hatte Gero die ganze Aufmerksamkeit des Geistlichen.
»Ja, Euer Gnaden«, sagte er. »Das darf ich eigentlich gar nicht weitersagen, aber ich hoffe doch, dass das Beichtgeheimnis von Euch gewahrt wird und alles unter uns bleibt.«
»Willst du mich beleidigen, mein Sohn? Das Brechen des Beichtgeheimnisses ist eine Todsünde. Selbstverständlich bleibt
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