Das Geheimnis der Perle
Jimiramira selbst schreiben?“
„Sie können doch gar nicht schreiben.“
„Ich kann sogar sehr gut schreiben. Soll ich es Ihnen zeigen?“
Sayers Augen wurden schmal. „Ich bin derjenige, der dir von diesem Job erzählt hat, Missy, und ich bin auch derjenige, der dich dorthin schickt. Sag nur nicht, ich hätte dich nicht gewarnt!“
Zwei Wochen später saß Mei im Zug Richtung Norden. Am Katherine River endeten die Gleise, sodass sie mit einem Planwagen, von Maultieren gezogen, nach Jimiramira weiterfahren musste. Eine sehr beschwerliche Reise, zumal es nicht einmal eine richtige Straße nach Jimiramira gab. Sie sah nichts als öde Weite, ausgetrocknete Flussbetten und zerbrochene Wagenräder am Wegesrand oder riesige Ameisenhügel.
Selbst Mei stellte ihren Entschluss infrage, als die Tage vergingen. Doch eines Tages überquerten sie eine unsichtbare Grenze, und ihr Kutscher Bluey verkündete: „Jimiramira.“ Mei war so erschöpft, dass sie nur nicken konnte.
Es vergingen fast noch einmal vier Tage, bis sie Rauch aus einem Kamin aufsteigen sahen. „Wenn der Boss nicht da ist, kocht da drüben alles über“, murmelte Bluey.
„Warum?“ Mei verengte die Augen und sah in die Ferne.
„Die Gnädige hat das Haus mal in Brand gesetzt. Jetzt darf sie nur noch Feuer im Herd machen, wenn er da ist, oder der Junge. Außer den Schwarzen haben sie keine Hilfe im Haus, und die hätten nichts dagegen, wenn der Kasten bis auf die Mauern runterbrennt.“
Mei wusste inzwischen, dass Archer und Viola Llewellyn einen Sohn namens Bryce hatten, der etwa in ihrem Alter war. Sie wollte fragen, ob Viola das Feuer absichtlich gelegt hatte, fürchtete sich jedoch vor der Antwort.
„Die Frau ist übergeschnappt“, sagte Bluey. „Du solltest gut aufpassen und sie genau im Auge behalten. Weiß auch nicht, warum Sayers so ein junges Ding hierherschickt. Aber ich sag dir was: Nach der Regenzeit mach ich mich wieder auf den Weg nach Darwin. Und ich nehme dich mit zurück.“
Mei konnte nur hoffen, dass sie bis dahin die Perle gefunden hatte.
An diesem Abend erreichten sie das Heim der Llewellyns nicht mehr. Ein Rad hatte sich gelockert, sodass sie gezwungen waren, einige Meilen vor der Farm zu campieren, um das Rad wieder zu reparieren. Mei hatte gerade Wasser aufgestellt, als sie herannahende Hufschläge hörte. Sofort erhob sie sich und strich glättend über ihre Kleider.
Ihr Herz schlug schneller, als sie sah, wie das Pferd kurz vor ihr zum Stehen kam. Der Reiter stieg ab und hielt die Zügel in der Hand.
Sie stand dem Sohn des Mannes gegenüber, der ihren Vater umgebracht hatte.
„Ich bin Bryce Llewellyn.“ Höflich nickte er Mei zu. Dann breitete sich ein strahlendes Grinsen auf seinem Gesicht aus, als er Bluey entdeckte, der gerade dabei war, den Planwagen wieder flottzumachen. „Hey, Bluey! Hast es gerade noch rechtzeitig geschafft, wie?“
„Kannst du laut sagen. Aber wenn ihr euch endlich mal eine Straße hier draußen baut, schaff ich es noch schneller.“
Mei sah, wie der junge Mann zu Bluey hinüberging und ihm freundschaftlich auf die Schulter klopfte. Bis jetzt hatte sie sich kaum Gedanken über Archers und Violas Sohn gemacht, außer dass er ihr eines Tages die Perle streitig machen könnte. Jetzt nahm sie ihren Feind näher ins Visier. Er war groß und schlank, braun gebrannt von der Sonne. Bryce Llewellyn schien wie geschaffen zu sein für ein Leben hier draußen, das den Männern so gefiel, aber das die Frauen zerstörte. Unter dem Strohhut blitzten blonde Haare hervor, und seine freundlichen Gesichtszüge reiften gerade vom Jungen zum Mann.
„Ich hab’s bald geschafft“, sagte Bluey. „Noch sechs oder sieben Tage, dann sind wir in Shadyside.“
Bryce schob die Hände in die Taschen seiner staubigen Hose. „Du solltest dich besser beeilen, Bluey. Der alte Jake meinte, die Regenzeit setzt dieses Jahr früher ein.“ Er sah kurz zu Mei hinüber. „Ich kann das Mädchen mitnehmen. Dann könntest du morgen gleich weiterfahren und sparst dir einen Tag.“
„Aber ich muss noch was abliefern bei euch.“
„Lass die Sachen hier. Ich schicke morgen gleich einen Wagen, um sie abzuholen.“
Bluey sah erleichtert aus. „Na gut.“
„Passt Ihnen das, Miss?“, fragte Bryce höflich an Mei gewandt und sah dann zu Bluey. „Spricht sie Englisch?“
„Genauso gut wie du, Kumpel. Und besser als ich.“
Bryce grinste Mei an. „Hast du auch einen Namen?“
„May.“ Sie wünschte, Bluey hätte
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