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Das Geheimnis der Perle

Das Geheimnis der Perle

Titel: Das Geheimnis der Perle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emilie Richards
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lammfromm heute.“ Er wirkte plötzlich traurig. „Manchmal weiß sie, was um sie herum passiert. Aber es gibt auch Momente, wo sie überhaupt nichts mitbekommt.“ Er zuckte die Schultern. „Besser gesagt, ganze Tage. Heute ist so ein Tag. Sie glaubt, wieder in Broome zu sein.“
    „Broome?“, fragte Mei, als hätte sie noch nie davon gehört.
    „Eine Stadt im Westen. Das Leben war dort einfacher für eine Frau.“
    Mei dachte daran, wie ihre Mutter gelebt hatte, und schwieg.
    Sie fürchtete sich davor, Archer Llewellyns Frau kennenzulernen, und gleichzeitig war sie gespannt, was sie erwarten würde. Rose Garth hatte ihr erzählt, dass Viola trotz der Warnung ihres Vaters mit Archer Broome verlassen hatte. Violas Eigensinn und ihre Rücksichtslosigkeit anderen gegenüber hatte während Meis Kindheit für viel Klatsch gesorgt. Sie hatte sich vorgestellt, dass Archer und Viola in ihrer Selbstbezogenheit gut zueinanderpassten, und gehofft, dass sie einander langsam zerstören würden. Von dem wenigen, was Bryce ihr erzählt hatte, wusste sie nun, dass zumindest Viola schon am Boden war.
    Im Haus füllte sie den Eintopf in einen angeschlagenen Teller und machte sich dann auf die Suche nach Bryces Mutter. Schließlich fand sie sie am Ende des langen Korridors in einem Schlafzimmer. Sie saß auf einem Stuhl und starrte mit leerem Blick in einen Handspiegel.
    Mei nutzte die Gelegenheit, um sich die Frau anzusehen, die das besaß, was zumindest zur Hälfte eigentlich Willow gehört hatte. Viola Llewellyn hatte das gleiche blonde Haar wie ihr Sohn, aber damit endete ihre Ähnlichkeit auch schon. Bryce stand in der Blüte seiner Jugend, war groß und aufrecht, hatte einen klaren Blick und glatte Haut. Die Schultern seiner Mutter waren gebeugt, ihr Teint der einer alten Frau. Sie starrte sich im Spiegel aus rot geränderten, schmalen Augen an.
    Ein Eisenbett stand im Zimmer, Regale für Kleidung. Auf dem einfachen Tisch vor Violas Stuhl entdeckte sie eine angelaufene Silberbürste und Kristalltöpfchen. Mei vermutete, dass die Bediensteten der Somersets im fernen Broome bessere Quartiere hatten als dieses.
    „Missus, ich habe Ihnen etwas zu essen mitgebracht“, sagte Mei.
    Viola schien völlig unbeeindruckt von der fremden Stimme.
    Mei trat zu ihr. „Soll ich Ihnen beim Anziehen helfen?“
    „Ständig belästigst du mich. Ich sage dir schon, wenn du sprechen darfst.“
    Mei ignorierte die feindseligen Worte, die offensichtlich einem Menschen aus Violas Vergangenheit galten. „Lassen Sie mich Ihr Haar bürsten.“
    Endlich wandte Viola den Blick vom Spiegel ab. „Na gut.“ Ihre Stimme klang brüchig wie die einer alten Frau. Mitleid stieg in Mei auf, das sie schnell wieder beiseitewischte. Keiner hatte Viola gezwungen, einen Mörder zu heiraten oder in diesem abgeschiedenen Gefängnis zu wohnen.
    Mei nahm die Nadeln aus Violas Haar, das ihr nun dünnund kraftlos über die Schultern fiel. Willows Haare waren seidig und fest gewesen, selbst als ihr Körper schon von Krankheit gezeichnet war.
    Viola schloss die Augen, als würde sie es genießen, dass Mei ihr die Haare bürstete. „Was soll ich denn heute anziehen, Susan?“
    Ob diese Susan sich wohl darüber freuen würde, dass Viola glaubte, sie sei immer noch bei ihr? „Sie haben sich bereits zum Essen angezogen, Missus.“
    Viola achtete nicht auf sie. „Das blaue oder das goldfarbene? Mein Vater mag mich nicht in Gold. Vielleicht sollte ich das nehmen.“
    Mei lernte schnell. „Sie tragen dieses Kleid bereits, Missus.“
    Fragend sah Viola an ihrem formlosen braunen Kleid herunter, das dringend gewaschen und gebügelt werden müsste. „Ach ja.“
    Mei steckte Violas Haare zu einem Knoten hoch und befestigte ihn mit einem Perlmuttkamm, den sie auf dem Tisch gefunden hatte. „So ist es viel besser.“
    Viola hob das Kinn. „Wenn du auch sonst nichts verstehst, für Frisuren hast du eine gute Hand.“
    Die fremde Susan tat Mei inzwischen leid.
    Sie half Viola beim Aufstehen, und sie gingen Arm in Arm durch den Flur zum Speisezimmer.
    Als Meis Blick auf den Tisch fiel, schloss sie die Augen. Der Teller mit dem Essen, den sie dort abgestellt hatte, saß voller Fliegen. Selbst die Scheibe Brot war schwarz von Fliegen.
    Interessiert sah Viola zum Tisch. „Gebratenes Lamm mag ich besonders gern.“ Sie setzte sich und warf einen Blick um den Tisch, als befände sie sich bei einer Dinnerparty. Die Fliegen erhoben sich in einer dunklen Wolke und machten es sich an

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